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Friesenkinder

Friesenkinder

Titel: Friesenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Duenschede
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Geschäftigkeit zu verstecken versuchte, hatten sich nicht vererbt. Bei Marlene mussten mehr Eigenschaften des Vaters weitergegeben worden sein, anders konnte Tom sich nicht erklären, wie die beiden Frauen derart unterschiedlich sein konnten. Gesine Liebigs erster Mann war früh verstorben. Marlene hatte sehr an ihrem Vater gehangen und wenn Toms Theorie der Vererbung stimmte, dann bedauerte er, ihn nicht kennengelernt zu haben. Gesine Liebig hatte relativ schnell wieder geheiratet, was Marlene ihr unterschwellig bis heute nicht verziehen hatte. Daher rührte auch das schlechte Verhältnis der beiden zueinander, das besonders ihre unterschiedliche Wesensart nicht gerade besser machte.
    Aber durch die Geburt von Niklas war Marlene diesbezüglich etwas entspannter. Jedenfalls war Tom gestern aufgefallen, dass sie aufgehört hatte, zu versuchen, möglichst alles perfekt zu machen, damit sie in den Augen ihrer Mutter bestehen konnte. Gut, sie hatte das ganze Haus gewienert, gebacken und gekocht, aber als gestern der Kuchen noch nicht fertig gewesen war, als Gesine Liebig eintraf, war nicht wie sonst eine Welt für Marlene zusammengebrochen. Und auch die spitzen Bemerkungen über das Dorf und das alte Haus, in dem sie wohnten, hatte Marlene großzügig überhört. Obwohl sie derart unterschiedlich waren, hatte Marlene ihre Mutter stets als ihre Familie betrachtet, die vor Tom und Niklas ihre einzige gewesen war. Sie war ein absoluter Familienmensch und hatte den Kontakt trotz aller Schwierigkeiten zwischen ihnen nicht verlieren wollen. Krampfhaft hatte sie versucht, eine Familie zu haben, die sie eigentlich nie gehabt hatte, aber seit es Tom und vor allem Niklas gab, hatte sich ihr Traum erfüllt, und gegenüber ihrer Mutter war sie toleranter und entspannter geworden.
    Sie waren den kleinen Weg bis zur Schule gegangen. Hier würde wahrscheinlich in wenigen Jahren auch Niklas unterrichtet werden. Tom hatte hier ebenfalls die Schulbank gedrückt, jedenfalls in der dritten und vierten Klasse. Er war damals, nachdem sein Großvater verstorben war, hier zu seinem Onkel ins Dorf gekommen und hatte die Grundschule besucht, bis er aufs Gymnasium nach Niebüll wechselte.
    »Da ist das Hakenkreuz«. Tom deutete mit ausgestrecktem Arm in Richtung der Schmiererei. Marlene nickte nur mit dem Kopf. Sie fragte sich, ob ihre Mutter nicht doch ein klein wenig recht hatte mit ihren Zweifeln, und Risum der richtige Ort war, um ein Kind großzuziehen. Doch eigentlich ist es keine Frage des Ortes, schoss es dann Marlene durch den Kopf, sondern ob man überhaupt Kinder in eine Welt setzen sollte, wo es Hass und Gewalt gibt. In der Babys den Müttern gestohlen und Menschen mit Messern und Baseballschlägern bedroht wurden.
    Aber hatte es das nicht von jeher gegeben? Gewalt? Hass? Bedrohung? Die Welt war nun einmal nicht so friedlich, wie man es sich wünschte, und solange es Menschen gab, würde sich das nicht ändern, denn oftmals resultierten solche Gewalttaten aus durchaus verständlichen Motiven. Rache, Neid, Eifersucht. Alles menschliche Empfindungen, die jeder kannte und nachvollziehen konnte. Nur war man in den letzten Jahren vielleicht etwas brutaler geworden. Doch die Motivation solcher Neonazis war durch nichts zu erklären oder gar zu rechtfertigen. War es Angst, die Ausländer könnten ihnen irgendetwas wegnehmen? Waren sie vielleicht selbst arbeitslos und hatten nur wenig Geld zur Verfügung? Dafür aber viel Zeit, sich die absurdesten Gedanken zu machen?
    Marlene hatte auch keine Lösung parat, nur musste man diesen Machenschaften auf jeden Fall Einhalt gebieten.
    »Ich denke, es wäre eine gute Idee, wenn man einen regelmäßigen Jugendtreff in Risum einrichten würde«, erklärte sie plötzlich.
    »Das dauert aber noch ein wenig, bis Niklas so weit ist«, grinste Tom, merkte dann aber an Marlenes Gesichtsausdruck, wie ernst es ihr damit war.
    »Warum nicht?«, meinte er daher, und Marlene begann sofort, Pläne zu schmieden. Wen musste man ansprechen, wo konnte man das Ganze räumlich einrichten? Woher bekamen sie Gelder? Sie war Feuer und Flamme und redete ununterbrochen, als sie über die Herrenkoogstraße ins Dorf zurückgingen. Tom war mittlerweile schon mit seinen Gedanken ganz woanders und stutzte erst, als Marlene plötzlich schwieg.
    Er schaute sie von der Seite an und folgte dann ihrem Blick. Ein Stück weiter die Dorfstraße hinunter stand Miriam Kuipers und versperrte einer anderen Frau mit Kinderwagen den

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