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Friesenkinder

Friesenkinder

Titel: Friesenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Duenschede
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der Tatzeiten ein hieb- und stichfestes Alibi. »Wir müssen ihn auch bald wieder laufen lassen, denn bisher haben wir nichts gegen ihn in der Hand. Und er hat schon nach seinem Anwalt verlangt, der wird hier auch jede Sekunde auftauchen.«
    »Dann rede ich jetzt noch mal mit ihm.« Thamsen wollte den Neonazi mit der Schwangerschaft und dem tot geborenen Kind von Julia Völler konfrontieren. Mal sehen, was der Kerl dazu zu sagen hatte. Auch wenn er vielleicht nicht der Vater war, was selbst die Mutter von Julia Völler nicht sicher wusste, immerhin hatte er sich um sie gekümmert. So wie um seine jetzige Freundin, die hoffentlich mittlerweile entbunden hatte.
    Thamsen hatte Dr. Prust informiert, dass sie Ole Lenhardt festnehmen und eine Zeit lang aufhalten würden. Er hatte Lars Sönksen, Gunters Sohn, gebeten, die Freundin von Ole ins Krankenhaus zu fahren, wo der Arzt auf sie warten und die Geburt einleiten würde. Anschließend sollte das einstige Mitglied der Neonazis ein paar Tage zu Verwandten nach Süddeutschland fahren. Thamsen hoffte, den Sohn seines Mitarbeiters so vor eventuellen Racheakten der Rechten schützen zu können. Natürlich war es, sofern Ole Lenhardt wirklich der Vater des Kindes war, gemein, ihm zu verwehren, bei der Geburt dabei zu sein, aber es ging nun einmal nicht anders. Eine Einleitung und Entbindung in der Praxis traute sich Dr. Prust nicht zu und letztendlich war es auch zu risikoreich.
    Dirk ließ Ole noch einmal in den Verhörraum bringen. Er ging nicht sofort hinein, sondern beobachtete den Kerl erst einmal eine Weile durch die Spiegelscheibe. Er wollte ihn etwas schmoren lassen, vielleicht wurde der Typ nervös, denn dass er etwas zu verbergen hatte, daran glaubte Thamsen ganz fest. Nur, wie konnten sie es ihm nachweisen?
    Ole Lenhardt saß lässig gefläzt auf dem Stuhl und hatte seine Füße, die in klobigen Springerstiefeln steckten, dreist auf die Tischplatte gelegt. Angestrengt begutachtete er seine Fingernägel und wartete gespielt geduldig auf das, was ihn jetzt erwartete.
    Thamsen straffte die Schultern und legte sich in Gedanken die ersten Sätze zurecht. Viel Zeit blieb ihm nicht, denn der Anwalt ließ sicherlich nicht mehr lange auf sich warten und würde bei seinem Eintreffen gleich das Verhör unterbrechen. Er versuchte, ein betont ernstes und undurchdringliches Gesicht zu machen, und betrat den Raum. Wenn Ole Lenhardt überrascht war, ihn zu sehen, dann zeigte er es nicht.
    »Ach, ich dachte, hier sind Ihre Kollegen zuständig«, stellte er Thamsens Anwesenheit sogar infrage und nahm die Füße langsam vom Tisch, allerdings erst, als Dirk ihm schon gegenübersaß.
    Thamsen schaute ihm fest ins Gesicht. Dieser Kerl widerte ihn an. Seine Ansichten, Meinungen und vor allem, wie er mit anderen Menschen umging. Als wenn er der Auserwählte wäre und alle anderen niederes Fußvolk. Allein die Tatsache, dass er Julia Völler nicht mehr besucht hatte, seit sie in seinen Augen wahrscheinlich versagt und ein totes Kind zur Welt gebracht hatte, sagte alles über den Charakter dieses Mannes, der ihm grinsend gegenübersaß.
    Thamsen grinste zurück. »Nein, da Ihr eigentliches Brutgebiet in meinem Zuständigkeitsbereich liegt, bin ich hier genauso zuständig.«
    »Brutgebiet?« Ole Lenhardt zog eine Augenbraue hoch. »Wie meinen Sie das denn, bitte schön?«
    »Na ja, wie würden Sie denn die Stätte benennen, an der Sie Ihre kranken Theorien ausbrüten?«
    Thamsen wollte ihn absichtlich provozieren. Er hatte oft erlebt, wie Verdächtige, die sich in die Enge getrieben fühlten oder gar wütend wurden, einen Fehler begingen. Das war durchaus eine gängige Verhörtaktik, wie sie auch an der Polizeischule gelehrt wurde. Und bei Ole Lenhardt glaubte er damit Erfolg zu haben. Doch da hatte er sich geschnitten. »Das sind keine Theorien, sondern traditionsreiches Kulturgut.«
    Dirk rümpfte die Nase. Der Typ glaubte wahrscheinlich selbst, was er da so von sich gab. Den konnte man vermutlich nur mit seinen eigenen Waffen schlagen.
    »So, und in dieser Kultur ist es Tradition, mehrere Frauen zu schwängern und, falls was schiefgeht, einfach heldenhaft im Stich zu lassen?«
    Ole Lenhardt zog erneut seine rechte Augenbraue hoch. »Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Das wissen Sie ganz genau.«
    Thamsen war sich sicher, der Verdächtige wusste auf jeden Fall, wovon er sprach. Doch der tat plötzlich, als hätte er von nichts eine Ahnung, und schüttelte heftig den Kopf.
    »Julia Völler?«,

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