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Friesenkinder

Friesenkinder

Titel: Friesenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Duenschede
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half Thamsen ihm daher ein wenig auf die Sprünge.
    »Was habe ich denn mit der zu schaffen? Die ist doch nicht ganz richtig im Kopf. Was hat sie Ihnen erzählt?«
     
    »Mann, ist hier viel los«, staunte Haie, als sie auf den Parkplatz vor dem Dokumentenhaus der Gedenkstätte einbogen. Bereits anhand der langen Schlange parkender Autos an der Straße hatte man vermuten können, dass halb Nordfriesland sich aufgemacht hatte, um die Fundstelle des toten Säuglings zu besichtigen. Um die Ausstellung zu besuchen, waren die Scharen von Menschen nämlich nicht gekommen, denn so viele Besucher hatte es hier noch nie gegeben.
    Sogar Reisegruppen schienen sich hierher begeben zu haben. Etliche Busse standen auf dem Parkplatz und Tom konnte keinen freien Platz mehr entdecken.
    Er wendete und fuhr zur Dorfstraße zurück, von wo ihnen wahre Menschentrauben entgegenströmten.
    Erst etliche Hundert Meter die Straße entlang fand er eine Möglichkeit zum Parken und sie stiegen aus. Haie wäre am liebsten gleich losgestürmt, aber die Freunde benötigten reichlich Zeit, um den Kinderwagen auszuladen und den Kleinen hineinzuverfrachten. Noch fehlte Tom und Marlene die nötige Routine und so trampelte Haie ungeduldig von einem Fuß auf den anderen.
    Als sie über den überfüllten Parkplatz auf das Dokumentenhaus zukamen, sahen sie plötzlich ein riesiges Blumenmeer. Erst jetzt fiel ihnen auf, dass die meisten Besucher Blumen in der Hand hielten und an der Fundstelle niederlegten. Man hatte Kerzen aufgestellt und ein paar Schilder gab es auch. Marlene ließ den Kinderwagen bei den Männern stehen und ging etwas dichter an das Blumenmeer heran, um die Inschriften zu lesen. Es waren Worte der Trauer und Unfassbarkeit des Geschehens, die die Menschen dort niedergeschrieben hatten: ›Warum?‹ oder ›Ein kaum begonnenes Leben, so schnell warst du vernichtet. Wir werden an dich denken und dich in unserem Herzen bewahren‹.
    Marlene schossen plötzlich die Tränen in die Augen. Wer hatte das nur getan? Wer konnte so grausam sein? Ein kleines Wesen seiner Mutter entreißen und dann sterben lassen. Auch, wenn der Kleine von Miriam Kuipers nicht durch Gewalteinwirkung oder vorsätzlich umgebracht worden war, aufgrund seiner Krankheit hatte er kaum eine Überlebenschance gehabt. Warum aber hatte der oder die Entführerin nicht reagiert? Es musste dem Kind immer schlechter gegangen sein. Und auch in den Medien war darüber berichtet worden, dass der Säugling dringend medizinischer Versorgung bedürfte. Sie schüttelte den Kopf und ging zurück zum Kinderwagen, den Tom nicht einen Moment aus den Augen gelassen hatte. Der Vorfall hatte alle sensibilisiert. Auch ihn, der ansonsten in dieser friedlichen Gegend keine Angst hatte.
    »Wo ist Haie?« Marlene blickte sich suchend nach dem Freund um, als Tom auf ihre Frage hin nur mit den Schultern zuckte. »Kennst ihn doch. Hat bestimmt irgendjemanden getroffen.« Sein Blick hing nach wie vor an Niklas, der tief und fest schlief.
    »Da drüben steht er.« Marlene streckte sich ein wenig, um einen besseren Blick zu haben. Haie stand etwas abseits an der Begrenzung zum Friedhof und unterhielt sich mit einem Mann in Gärtnerkluft.
    Nach einer Weile nickte er dem Mann zu und kam zu ihnen zurück.
    »Wer war das denn?«, wollte Marlene wissen.
    »Heinz. Der wohnt da drüben.« Er wies zu einem der Gebäude, die an der Straße zu der Gedenkstätte lagen.
    »Ah ja«, entgegnete Marlene. Sie war immer wieder überrascht, wen Haie in dieser Gegend alles kannte. Immerhin lag Ladelund gut 20 Kilometer entfernt von Risum. »Und?«
    »Er hat gestern Abend ein Auto gesehen.«
    »Und?« Tom fand das jetzt nicht allzu merkwürdig. Ihn störte, dass Haie Züge an den Tag legte, die er sonst selbst an den Leuten aus der Gegend hier kritisierte.
    »Nun lass dir man nicht wie Helene alles aus der Nase ziehen.«
    Haie sah ihn überrascht an. Anscheinend war ihm sein Verhalten gar nicht bewusst gewesen.
    »Na, hier fährt abends so gut wie nie ein Auto. Das Dokumentenhaus macht um 16:00 Uhr zu und wo sollte man sonst hinwollen? Hier geht es doch nur zu dem Schützengraben und sonst ins Feld.«
    »Du meinst, das war der Entführer?« Marlene schaltete etwas schneller als Tom. Und Haie nickte ihr zu.
    »Hat dein Heinz das schon Dirk erzählt?«
    »Nee.«
    »Warum nicht?«
    »Na, der hat ihn noch nicht befragt.«
    Langsam wurde es Tom für heute zu viel mit den dörflichen Eigenarten. Er zückte sein Handy und gab es

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