Friesenschnee
an.
Natürlich kam ihm zupass, dass die Scheiben extrem verdreckt waren. So fühlte er sich ziemlich sicher, als er über Nebenstraßen die Kieler Innenstadt verließ. Auf kleinen Landstraßen erreichte er die Kanalfähre bei Landwehr. Während der kurzen Überfahrt blieb er im Fahrerhaus sitzen, und je weiter er ungehindert Richtung Nordseeküste vordrang, desto optimistischer wurde er.
Schließlich hatte er mit dem Präsi der Hualewjonken für den Fall der Fälle einen Notplan ausgeheckt, der unabhängig vom Wohlergehen aller anderen sicherstellte, dass wenigstens sie beide elegant abtauchen konnten. Natürlich war das nicht die feine englische Art den anderen Mitspielern gegenüber, aber das Herz eines Boxers muss schon echte Vorsorge für den Fall treffen, dass man in die Ecke getrieben wird.
Irgendwann passierte er endlich das Ortseingangsschild von Dagebüll und reihte den Bus wenig später in die Schlange der wartenden Fahrzeuge ein. Er blieb am Steuer sitzen, aber er rutschte ein wenig den Sitz herunter, um nicht gesehen zu werden. Die Überfahrt auf der Autofähre verlief ereignislos wie immer, wenngleich ihm das Kurven des Schiffes um die Untiefen im Wattenmeer noch mehr als sonst auf den Sack ging.
Als er mit dem alten Transit die Fähre verlassen hatte, da überkam ihn endlich wieder das Gefühl, obsiegen zu können. Er parkte weit abseits von Wyk auf einem kleinen Rastplatz und legte sich auf die Hinterbank, um die Zeit bis zur Dämmerung zu überbrücken. Die hinter ihm hoch gestapelten Requisiten vor den Hecktüren boten ausreichend Schatten vor der warmen Nachmittagssonne.
Entspannt begann Pimmel, seinen Plan zu überdenken. Einen zweiten Pass hatte ihm Lollo längst auf einem Hinterhof der Reeperbahn in Hamburg besorgt. Er würde den Präsi auf das Wattenmeer zwischen Föhr und Amrum locken, um die neue Ware scheinbar gemeinsam mit ihm entgegenzunehmen. Spätestens, wenn das kleine Überbringerboot in den Priel einlaufen würde, dann musste er sich des Präsi entledigen. Am besten, wenn er ihm vorher eine Linie zum Schniefen anbieten würde. Dann einen kräftigen Schlag auf seine Rübe, ab in den Priel mit ihm und danach schnell aufs Boot.
Die Besatzung würde ihn auf die Nordsee zum Carrier bringen, denn sie würden an weiteren Geschäften interessiert sein. Von dem angesteuerten Hafen würde er schon irgendeinen Flieger zu einem der großen europäischen Flugdrehkreuze bekommen.
Unerwartet hart wurde sein Traum durch ein Klopfen an der Seitenscheibe unterbrochen. Er war erstaunt, wie dunkel es bereits geworden war, und das war nicht nur auf den Schmutz der Landstraße auf den Scheiben zurückzuführen. Der Strahl einer starken Taschenlampe wanderte suchend vom Fahrer- zum Beifahrersitz. Geräuschlos glitt Pimmel zum Fußraum der Hinterbank des Transits nieder. Das war kein besonders sauberer und schöner Ort, nicht zuletzt, weil hier Robert immer gefrustet auf den Boden gespuckt hatte, wenn Jenny nicht mit im Bus saß. Freiwillig hätte Pimmel niemals diesen Platz eingenommen. Jetzt ging es nicht anders.
Pimmel konnte eine fremde Stimme ausmachen. »Die Motorhaube von der Klapperkiste ist kalt. Der Fahrer streunt hier sicherlich irgendwo herum. Offensichtlich ein Künstler. Verpass ihm einen Denkzettel, und dann lass uns zurück zur Wache fahren.«
Doch sein Kollege wollte sich damit nicht zufriedengeben.
Leise fluchend zerrte Pimmel vorsichtig Halbedels Hamlet-Kostüm unter der Bank hervor und deckte sich damit zu. Der Schweiß stieg ihm auf die Stirn. Wenn die Bullen ihn mit der ganzen Kohle von zwei Sendungen und dem restlichen Stoff erwischen würden, den er noch bei sich trug, dann würde er sicherlich einige Heiligabende bei Wasser und Brot hinter Gittern verbringen. Sie würden ihn seine besten Jahre kosten.
Der Strahl der Taschenlampe leuchtete jetzt immer gründlicher alle Ecken und Ritzen des Busses ab. Ein nervtötendes Kratzgeräusch fuhr ihm unter die Haut, als einer der beiden Bullen versuchte, eine Scheibe sauberzuwischen, um besser in den Transit hineinleuchten zu können. Es wurde brenzlig. Das Herz von Pimmel pochte inzwischen so laut, dass er Angst hatte, dass es die Polizisten hören könnten.
Sollte er den beiden Beamten nicht einfach 10.000Euro anbieten? Vielleicht würden die dafür ihre Prinzipien über den Haufen werfen. Polizisten sollen ja arme Sänger sein.
Plötzlich begann einer der beiden, lauthals zu fluchen und wütend gegen den Hinterreifen zu
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