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Friesenschnee

Titel: Friesenschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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befindet sich im Krankenhaus in guten Händen. Wir reden zunächst über Ihr Vergehen. Sie haben den Schauspieler Robert Halbedel auf dem Dach des Wasserturms im Lichtstrahl der Scheinwerfer hingerichtet, obwohl jeglicher Schusswaffengebrauch ausdrücklich untersagt war.« Hansen schielte zum Polizeidirektor, der gespannt Kramers Reaktion abwartete.
     
    Polizeihauptmeister Kramer ergriff wieder mit beiden Händen den Pappbecher, um sich zu wärmen.
    Hansen legte energisch nach. »Mensch, Kramer. Wachen Sie auf! Sie haben einen Menschen erlegt, einfach so.«
    »Einen Menschen? Halbedel hat mein Mädchen vor meinen Kollegen als Nutte verhöhnt, nachdem er über sie hergefallen war und ihr die Knochen zermalmt hat. Vor 20Jahren wäre sie nach dem damaligen Stand der Medizintechnik nicht durchgekommen, hat mir Ihr Kollege gesagt. Aber ich kenne diesen Blick von ihm. Ich wusste sofort, sie ist noch lange nicht über den Berg. Vielleicht kann ich meinem Mädchen nie wieder in die Augen schauen.«
    Hilfe suchend blickte sich Hansen um, doch die Kollegen in seinem Gesichtskreis zuckten mit den Schultern. Er richtete seinen Blick auf sein Gegenüber. »Herr Kramer, wer soll denn der Kollege von mir sein? Ihre Tochter befand sich längst auf dem Weg ins Krankenhaus, als Ihr Einsatz begann.«
    Hansen erkannte die angestrengte Stimme sofort, die aus dem Hintergrund antwortete. »Ich war es, Herr Kollege.«
    Fingerloos also. Konnte sich der Chef der Spurensicherung nicht vorstellen, dass nicht alle Menschen wie er mit dem Gleichmut eines Ackergauls auf Schicksalsschläge reagierten? Vielleicht stammte sein Spitzname Pferdi daher.
    Kommissar Hansen musste von der Familientragödie wegkommen, um die genauen Umstände des Todesschusses auf Halbedel zu ermitteln. »Sie wissen genau, Kollege Kramer, dass Sie als Beamter im Polizeivollzug kein Recht zum Richten haben. Dafür unterhält der Staat nicht ohne Grund hoch bezahlte Richter und trennt die ausführende von der richtenden Gewalt.«
    Seine Replik erreichte den Polizisten Kramer aber nicht, denn es war wiederum der Familienvater, der jetzt ungefragt zu erzählen begann. »Wissen Sie, Kommissar, unser erster Sarg war klein. Wenn die Großmutter oder der Großvater stirbt, dann ist der Sarg gut zwei Meter lang, und in der Regel haben die Verstorbenen ein erfülltes Leben hinter sich gelassen. Aber ein Sarg, der keinen Meter misst, mit einem verstorbenen Kind der Liebe, der bricht jedem Mitglied der Familie das Herz, auch das unserer Kerstin. Wir haben lange Jahre geweint, und Kerstin hatte sich immer wieder Vorwürfe gemacht, nicht besser auf ihr kleines Schwesterchen aufgepasst zu haben, obwohl sie keinerlei Schuld an ihrem Tod trug. Jetzt hat sie es selbst durch diesen verrückten Halbedel erwischt. Was habe ich denn vom Leben noch zu erwarten, wenn auch sie mir wegstirbt?«
    Betreten blickte Hansen zu Boden. »Es steht mir nicht zu, Ihre Trauer und Sorge um Ihre Kinder einfach abzutun. Was Ihrer Tochter widerfahren ist, das werden wir schon noch aufklären. Aber auch Sie haben sich durch Ihre Tat außerhalb des Gesetzes gestellt. Sie haben während eines Polizeieinsatzes gegen den Befehl einen Menschen getötet. Machen Sie reinen Tisch. Ich benötige von Ihnen genaue Informationen über alle Tatumstände.«
     
    Nachdenklich stellte Kramer den Becher auf den Tisch zurück. Dann richtete er sich auf dem Stuhl auf und begann zu erzählen. »Ich hatte Bereitschaft. Plötzlich wurden wir wegen der Geiselnahme im Wasserturm angefordert. Der Kollege Fingerloos von der Spurensicherung lief mir dort über den Weg. Ich bemerkte sofort, dass er etwas zu verbergen hatte. Tatsächlich, in einem durchsichtigen Plastiksack trug er einen toten Hund bei sich, einen Cockerspaniel. Sofort schoss in mir die Angst hoch, dass es sich um Jock handeln könnte, denn schließlich war der Weg um den Wasserturm herum Kerstins Runde mit ihm. So stellte ich ihn zur Rede.
    Kollege Fingerloos berichtete mir von dem furchtbaren Geschehen, und mir war schnell klar, dass es sich nur um Kerstin handeln könnte. Fingerloos ist dann weitergehastet. Vor Schmerz und Wut konnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich bin dann in das Dickicht vor dem Parkplatz getaumelt, weil ich niemandem von meinen Kameraden in diesem Zustand in die Augen sehen wollte, und tat so, als müsste ich pinkeln. Dann begann dieser Irre auf dem Turm, sich im Licht der Suchscheinwerfer in Pose zu stellen und Volksreden zu halten. Ich

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