Friesenwut - Kriminalroman
irgendetwas
leben.«
»Also, Herr Ulferts, nächste Woche
machen wir Bauern eine Demo auf dem Marktplatz von Aurich, kommen Sie? Ich
sehe, Sie haben die Sachlage verstanden, in der wir Bauern uns befinden.«
»Mal sehen, wenn ich nicht gerade
Morde aufklären muss …« ›Morde aufklären‹, niemand bemerkte, wie Menno kurz
zusammenzuckte, als diese Worte fielen.
»Sie haben einen
furchtbaren Beruf«, griff Rehna das Wort unbedarft auf und schenkte dabei Tee
ein.
»Das kann man so und so sehen«,
erwiderte Ulferts und kam zum eigentlichen Grund seines Besuches: »Sagen Sie,
Ihre Tochter Freya war mit dem Bankangestellten Alex Aldenhoff zusammen?«
»War …«, Rehna schossen wieder
Tränen in die Augen. Hätte man nicht weiter über die gegenwärtigen
Schwierigkeiten der ostfriesischen Landwirtschaft schwadronieren können?
»Mann, Rehna, wir müssen uns daran
gewöhnen, dass er tot ist. Dood is dood.« Menno war gereizt, er konnte es nur
schwer ertragen, dass Rehna so sehr unter Freyas Unfall und dem Tod des
Freundes ihrer Tochter litt.
»Ja, sicher«, Rehna schluchzte
leise.
»Wie lange waren sie denn
befreundet?« Ulferts ließ nicht locker.
»Ach, so ein paar Monate … Wie
sollen wir das genau wissen? Die jungen Menschen treffen sich in der Stadt, am
Wochenende. Alex Aldenhoff war uns nicht unbekannt. Er war einige Male auf
unserem Hof, er war ja unser Bankberater. Ich wüsste nicht, dass vorher etwas
zwischen den beiden war. Gefunkt hatte es wohl erst vor Kurzem.« Rehna wurde
erstaunlich redselig.
»Gefunkt!«, wiederholte Menno
verächtlich. »Was an dem funken soll, frage ich mich!«
»Menno! Zum Glück hast du nicht zu
bestimmen, wo die Liebe hinzufallen hat«, schimpfte Rehna und sah ihren Mann
leicht erzürnt an.
»Wissen Sie, ob die beiden an
diesem Abend gemeinsam unterwegs waren?«
»Das nehme ich stark an, wissen
tue ich es nicht«, meinte Rehna.
»Freya war kein Kind mehr, Herr
Kommissar, da fragt man nicht mehr bei allem nach und weiß nicht alles«,
ergänzte Menno.
»Woher wollen Sie wissen, dass ich
Kommissar bin?«
»Wie soll ich Sie sonst
ansprechen?«
»Ist schon in Ordnung. Sie können
mich aber auch einfach beim Namen nennen. Sie mochten Herrn Aldenhoff wohl
nicht so besonders?«
Menno war verwundert
über diese direkte Frage.
»Wie kommen Sie darauf?«
»Man merkt es einfach.«
»Nee – so richtig mochte ich
den nicht. Einfach nicht mein Typ. Der ist … der war immer so gestelzt. Ich bin
Bauer, ich hätte mir jemand anderes für Freya gewünscht, das sag ich ganz
ehrlich.«
»Menno!« Rehna wurde noch
ungehaltener – so redete man nicht über jemanden, der gerade verstorben
war.
»Wat denn – ick segg dat so,
as dat is«, Menno verfiel wieder ins Plattdeutsche, als wolle er der
Ehrlichkeit seiner Antwort gegenüber seiner Frau mehr Nachdruck verleihen.
»Er meint …«, begann Rehna.
»Oh, vielen Dank, ich verstehe
Plattdeutsch sehr gut. Ich bin gebürtiger Emder. Kein Problem. Sprechen kann
ich es ein wenig, wenn auch nicht gut. Mir fehlt die Praxis. Sie können sich
denken, dass man bei der Polizei in Aurich weniger Plattdeutsch spricht als bei
der Viehauktion.«
»Das wird wohl so sein.« Menno
sah – offenbar gedanklich nicht ganz bei der Sache – aus dem Fenster
in den Garten mit den alten Apfel- und Birnbäumen, die er so liebte. Fast so
wie seine Freya …
»Hatten Aldenhoff und Ihre Tochter
Streit?«
»Keine Ahnung.«
»Sonst irgendetwas Besonderes?«
»Nicht dass ich wüsste.« Ulferts
sah zu Rehna, dann zu Menno Reemts.
»Ich weiß sowieso nichts«, fügte
Menno hinzu.
»Warum war sie mit dem Fahrrad
unterwegs?«
»Freya fährt Fahrrad wie eine
Wilde. Sie liebt es. Und sie feiert gern, ist ein fröhlicher Mensch. Auto fährt
sie nie, wenn sie Alkohol getrunken hat«, Rehna sagte das mit einem gewissen
Stolz.
»Aber sie kam aus Norden –
und dann mit dem Rad, so mitten in der Nacht? Ein recht weiter Weg.« Ulferts
überbetonte seine Worte.
»Wir haben ihr das oft gesagt,
dass wir uns Sorgen machen. Im Sommer fährt sie manchmal 50 Kilometer am Tag.
Sie ist durchtrainiert. Sie meinte nur, hier in der Einsamkeit würde keiner
jemandem auflauern. Da sei die Wahrscheinlichkeit in der Stadt wesentlich
höher.«
»Damit hat sie gar nicht mal so
unrecht …«, Ulferts kam nicht weiter.
»Ich sagte ja schon, Herr Ulferts,
ab einem bestimmten Alter kann man seinen Kindern nur noch Ratschläge erteilen,
wirklich etwas sagen lassen sie sich
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