Friesenwut - Kriminalroman
und dadurch
eine besondere Würze hatte. Sie begann, einige winzige Brennnesseln, Löwenzahn
und anderes Kraut zwischen den Rosen ihres vor vielen Jahren angelegten Beets
herauszuziehen. Sie wusste zunächst nichts von dem neuen Kredit, den Menno mit
Aldenhoff vereinbaren wollte. Aus Geldsachen hielt sie sich raus. ›Geht klar!‹
Das waren Aldenhoffs Worte gewesen, als er sich abends nach zwei, drei Bier
verabschiedete. ›Du hast mein Wort‹, fügte er noch auf eine Anmerkung Mennos,
die sie nicht verstanden hatte, hinzu. Dann war der Banker gegangen. Als die
Finanzkrise kam, machte er einen Rückzieher – mit dem Hinweis auf die gegenwärtigen
schwierigen Geldmärkte sei der Kredit nicht realisierbar. Nicht genehmigt. Er
würde sich ja einsetzen, die da oben hingegen … Sicher, er hätte schon ein
gewichtiges Wörtchen mitzureden, die Banken seien jedoch nun mal in
hierarchische Strukturen gegliedert und die Mehrheit entscheide. Außerdem sei
eine Finanzkrise dieses Ausmaßes nicht vorhersehbar gewesen. Rehna erfuhr erst
später davon, aber nun war ihr klar, warum Menno mit finsterer Miene und
schlechter Laune im Melkstand dafür sorgte, dass sich seine Kühe erleichterten.
Obwohl er sonst sehr entspannt war, wenn er seinem Tagwerk nachging. ›Du hast
mein Wort!‹ ging es ihr wieder und wieder durch den Kopf. Was mochte Aldenhoff
Freya wohl alles versprochen haben?
17
»Nichts gegen Herrn
Aldenhoff, ein hervorragender Mann. Der war zu Höherem geboren, glaubten wir
jedenfalls eine Zeit lang.« Der Mann an dem großen, aufgeräumten Schreibtisch
lehnte sich zurück. ›Eberhard Cassjens, Director Human Resources‹ stand auf
seiner Karte, die er der Hauptkommissarin in die Hand gedrückt hatte, kaum dass
sie eingetreten war. Tanja Itzenga saß auf der anderen Seite; der Termin für
dieses Gespräch war erstaunlich kurzfristig zustande gekommen.
»Vielleicht ist Ihre Sicht eine
andere …«, sagte sie ziemlich leise, denn ihr fiel im Moment nicht ein, wie sie
vorgehen sollte, um etwas Interessantes zu erfahren, eventuell weitere Hinweise
über Alex Aldenhoff, seine Geschäfte und Verstrickungen im Kreditgeschäft zu
bekommen. Ihr Gegenüber verstand es prächtig, viel zu reden und dabei wenig zu
sagen. Cassjens war schwer zu durchschauen. Ein auf den ersten Blick
freundlicher, zuvorkommender Mann, was hingegen in seinem Kopf tatsächlich
vorging, dahinter war nur schwer zu kommen. Sie dachte an ihren Auricher
Bankberater, Peter Harms. Der war gerade heraus, ein prima Kerl, mit dem konnte
man reden. Nach wie vor – trotz der Krise – hatte sie den Eindruck,
dass Peter Harms sie bei der Wohnungsfinanzierung korrekt beraten und ihr gute
Tipps gegeben hatte. Das waren faire Verträge gewesen – nichts Falsches.
Aber solche Leute wie Aldenhoff und Cassjens? In einen Topf konnte man die
Bankangestellten offenbar nicht werfen, lernte sie. Hier waren – wie
überall – sehr unterschiedliche Typen am Werk. Sie sah das mit ein wenig
Genugtuung, denn wenn sie ausschließlich die smarten, fortwährend lächelnden
Herren angetroffen hätte, die sich vordergründig umsichtig und allwissend
gaben, die im Hintergrund jedoch Geschäfte abwickelten, deren Risiken nicht
abschätzbar waren, sie hätte sich am Ende gar nicht mehr gewundert, warum
derart viele Harakiri-Geschäfte am Weltfinanzmarkt getätigt wurden.
»Natürlich, ich nehme
die Position der Bankleitung ein«, begann Cassjens jetzt wieder, doch die
Hauptkommissarin unterbrach ihn:
»… und das ist eben nicht
die Kundensicht!«
»Sicher nicht,
jedenfalls nicht direkt, gleichwohl versuchen wir selbstverständlich so gut wie
möglich, uns in den Kunden mit all seinen Wünschen hineinzuversetzen und ihm
das zu bieten, was er braucht, angepasst an die jeweilige individuelle
Situation, daher sprechen wir auch vom Lebenslagenprinzip, wissen Sie …«
»Vielleicht gab es
Kunden, die Herrn Aldenhoff anders sahen als Sie es tun, Herr Cassjens.«
»Hm, na ja, letztlich weiß ich
natürlich nicht, was die Kunden denken. So in ihrem Innersten, nicht wahr? Aber
sehen Sie – ich habe keine Veranlassung, etwas Schlechtes über Herrn
Aldenhoff zu sagen, es steht mir auch nicht zu.«
»In diesem Falle schon – wir
gehen einem Verdacht nach, der einbezieht, dass Herr Aldenhoff offensichtlich,
bevor er sich selbst zu Tode gefahren hat, eine Radfahrerin von der Straße
gedrängt und diese den Unfall nur mit viel Glück überlebt hat.«
»Ja,
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