Friesenwut - Kriminalroman
Ausdrücke
die Leute benutzten …
Als
Rehna ganz vorsichtig Freyas Hand in die ihre nahm, konnte sie erneut ihre
Tränen nicht zurückhalten. Ihre Tochter lag dort, still, regelmäßig atmend, die
Augen geschlossen. Ihre Schönheit strahlte – trotz all der Verletzungen,
Schläuche und Geräte. Freya war blass, unendlich blass. Selbst Menno gelang es
kaum, die Tränen zurückzuhalten, seine Augen glänzten feucht. Doch sie waren in
positiver Stimmung. Sie konnten ihre Tochter das erste Mal seit dem Unfall
berühren und nicht nur hinter Glas sehen. Und die Worte von Schwester Margrit
und Dr. Boltenhagen waren überaus hoffnungsvoll gewesen.
»Freya, hier ist
Mama. Papa ist auch da«, flüsterte Rehna ihrer Tochter ins Ohr. »Das wird
wieder, weißt du? Der Arzt ist sich ganz sicher. Du musst wieder gesund werden.
Du bist doch unser … unser Muuske. Mach weiter so! Es ist immer besser
geworden. Ach, ich …«, wieder liefen ihr Tränen über die Wangen, »ich möchte so
gern wieder mit dir sprechen können!« Verzweifelt sah sie ihren Mann an. Der
stand einfach da und plötzlich saß ihm ein dicker Kloß im Hals. Das gab es nur
sehr, sehr selten bei ihm.
»Es ist genug fürs Erste. Würden
Sie jetzt bitte wieder gehen?« Die Schwester gab Rehna und Menno mit sanften,
bestimmten Worten zu verstehen, dass der Besuch auf der Intensivstation eine
große Ausnahme war und nur möglich, weil der Chefarzt die Erlaubnis dazu
gegeben hatte.
»Ja, klar!«, sagte Menno leise. Er
drückte behutsam Freyas Hand, sah sie noch einmal an, und dann gingen beide aus
dem Krankenzimmer, als verließen sie einen Saal, in dem gerade eine Rede
gehalten wurde, als sollte ihr Gehen nicht auffallen. Auf dem Flur kam ihnen
Dr. Boltenhagen entgegen.
»Da fällt mir ein …, Herr Reemts,
eine Frage noch.«
»Ja?«
»Was, bitte, ist ein Schkepsel?«
Menno musste kurz
lachen, dachte, so etwas könne nur einer fragen, der aus dem Binnenland hier an
die Küste gekommen war. Allerdings – er verwendete den Begriff öfter –,
nun zu erklären, was das eigentlich war, fiel ihm schwer. Dann verfinsterte
sich seine Miene wieder. »Ein Schkepsel, das ist schwer zu beschreiben. Ein,
hm, etwas undurchschaubarer Typ. Einer, der etwas vorspielt, bei dem man nie
genau weiß, woran man bei ihm ist. So’n büschen unzuverlässig, hält sein Wort
nicht, jedenfalls nicht immer, so ungefähr. Freyas Freund, dieser Aldenhoff,
hatte jedenfalls gewisse Eigenschaften eines Schkepsels …«
»Den kennt der Doktor doch gar
nicht, und außerdem ist er ja …«, Rehna kämpfte wieder mit den Tränen, denn
erst jetzt fiel es ihr wie Schuppen von den Augen, dass Freya gar nicht wusste,
was ihrem Freund passiert war. Sie zippelte an Mennos Ärmel herum, sie wollte
nach Hause. Ein starker Tee würde guttun. Sie wiederholte: »Lass uns gehen,
Herr Doktor Boltenhagen kennt Alex nicht.«
»Da hat der Herr Doktor nichts
verpasst«, nuschelte Menno so leise, dass es niemand verstehen konnte. Bis auf
Rehna.
16
Als
Rehna und Menno Reemts nach knapp einer Stunde wieder auf den Weg zu ihrem Hof
von der Landstraße abbogen, erblickten sie dort schon von Weitem ein ihnen
unbekanntes Auto. Beim Herankommen sahen sie einen etwas untersetzten,
kräftigen Mann um die Ecke biegen. Er war unrasiert, mit dunklen Rändern unter
den Augen. Sie kannten ihn nicht und wunderten sich. Ein Landmaschinenvertreter
konnte es nicht sein, die kamen gepflegter daher. Eventuell jemand vom Amt, der
irgendetwas prüfen wollte. Vor einigen Wochen hatten sie einen Brief wegen
ihrer Hauskläranlage erhalten, die nicht mehr den neuen Vorschriften entsprach.
Wegen so etwas kamen sie schnell, die vom Amt, um eine neue Anlage einzubauen
und gleichzeitig mitzuteilen, dass höhere Gebühren zu entrichten seien,
monatlich, versteht sich. Vielleicht war es so ein Amtmann. Dann fiel Rehna
ein, dass sich jemand von der Polizei angekündigt hatte, wegen des Unfalls.Ein
Kommissar gehörte bislang nicht in das Repertoire derer, die ihren Hof
besuchten. Ulfert Ulferts hatte sich schon ein wenig auf dem Hofgelände
umgesehen, als er bemerkte, dass sich ein Auto näherte. Er bemühte sich, nicht
so auszusehen, als schnüffele er herum.
Ulferts stellte sich
vor, als Rehna und Menno ausstiegen, und Rehna sagte: »Ach, ich dachte, Sie
kommen erst morgen!«
»Wieso das?«, erwiderte Ulferts
ruhig, »wir hatten uns für heute Nachmittag verabredet, Frau Reemts, so steht’s
in meinem
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