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Friesisch Roulette

Friesisch Roulette

Titel: Friesisch Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marvin Entholt
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bestellen, Privatauslagen waren nicht vor- und folglich nicht gern gesehen.
    Egal, das würde er sogar aus eigener Tasche zahlen, so einen Fall hatte man schließlich nur einmal im Leben. Doch in Freude und Stolz auf den aktuellen Fall mischte sich plötzlich Sorge. Was, wenn das kein einzelnes Vorkommnis war, sondern der Beginn einer Serie? Davon hörte man ja immer wieder. Dann wäre es mit der Ruhe dahin, die sie hier alle so schätzten. Um die zu bewahren, würde mancher aus dem Dorf sogar töten, dachte sich Harm.
    Â»Da vorne«, begrüßte er nun die beiden Kripoleute und zeigte in Richtung der männlichen Leiche, die seltsam verrenkt im Schilf lag.
    Â»Von hier ist der nicht«, rief er den beiden noch zu.
    Am Deichhang waren Schleifspuren zu sehen, sodass der Polospieler messerscharf folgern konnte: »Der ist hierhergebracht worden.«
    Seine Kollegin hatte zwar kein Haargummi gefunden, aber weiße Latexhandschuhe, die sie nun überstreifte. Sie beugte sich über den Körper, besah ihn und tastete ihn ab.
    Ihre Haare fielen ihr in die Stirn, und sie versuchte durch Pusten und Kopfschütteln zu verhindern, dass sie mit dem angetrockneten Blut des Toten in Berührung kamen.
    Â»Scheiße«, fluchte sie leise, reckte ihren Kopf so weit wie möglich zurück und wendete den Toten auf die Seite. Er war schmächtig, trug einen Kinnbart, der nicht so recht zu seinem runden Gesicht und den etwas schütteren halblangen Haaren passen wollte, und seine Kleidung war nicht gerade edel. Die Lederjacke war abgewetzt und sicher nicht teuer gewesen, dasselbe konnte man von Hemd und Hose sagen, die an den Stoßkanten schon fadenscheinig waren.
    Â»Männlich, Alter etwa Ende dreißig. Glatter Einschuss im Schläfenbereich, Waffe vermutlich aufgesetzt, Schmauchspuren.«
    Â»Also Hinrichtung oder Selbstmord«, sherlockte der Polospieler.
    Â»Ein Selbstmörder würde sich wohl nicht selbst den Deich runterschleifen und so verrenkt hinlegen«, entgegnete Harm. »Und die Waffe wäre ja wohl auch noch da.«
    Harm lief zu kriminalistischer Hochform auf und begann sich zu ärgern, dass er nicht eine andere Laufbahn eingeschlagen hatte.
    Â»Sie haben keine Waffe gefunden?«, wandte sich der Polospieler an Harm.
    Â»Nö«, sagte der.
    Und nach einer längeren Pause: »Heute jedenfalls nicht.«
    ***
    Harm stand der lästige Teil des Einsatzes bevor, die Befragung der Zeugen. Ungeduldig hatte die Gruppe der fünf Fahrradtouristen in ihren bunten Funktionsjacken hinter dem Absperrband ausgeharrt. Sie hatten, als sie dämlicherweise nicht im Windschatten des Deiches, sondern auf seiner Kuppe fuhren, die Leiche im Schilf entdeckt.
    Harm kannte das schon, alle hatten etwas gesehen, jeder noch mehr als der andere, alle widersprachen einander, und gewusst hatte am Ende keiner wirklich etwas.
    Seine Gedanken schweiften ab, und er wunderte sich, dass nicht Wilmine die Leiche gefunden hatte. Sie hatte, überlegte er, in den vergangenen Jahren gefühlte neunzig, realistische fünfzig Prozent aller Meldungen abgegeben. Einerlei, ob es sich um verschwundene – und vermutlich aufgrund von schlechtem Wetter und damit verbundener Unlust des Austrägers nicht zugestellte – Tageszeitungen handelte oder um ein eingeschlagenes Fenster, das am Ende keine gewerbsmäßige Einbrecherbande, sondern der Wind eingedrückt hatte.
    Harm konnte ja nicht ahnen, dass Wilmine schon längst die nächste spektakuläre Entdeckung auf Lager hatte. Bis sein Telefon klingelte.
    Er erkannte die Nummer von Heinrich Siedenbiedel.
    Â»Heinrich«, jovialte Harm ins Gerät, trotz Funktionsjackenbefragung noch beseelt vom Leichenfund.
    Sein Lächeln erstarb sofort, als er die Stimme von Wilmine Ahlers erkannte. Welcher Teufel hatte ihn geritten, ihr die Nummer seines Mobiltelefons zu geben?!

15
    Sich an der Sonne zu orientieren hatte er nicht verlernt. Selbst bei bewölktem Himmel konnte er den hellsten Teil des Firmaments und somit den Stand der Sonne ausmachen. Er war eben doch ein gewitzter Kerl und nicht so leicht unterzukriegen! »Bud’ gotov, vsegda gotov!« – Sei bereit, immer bereit!
    Nicolajs Selbstbewusstsein kehrte zaghaft zurück und auch die Erinnerung an die »Pionierorganisation Wladimir Iljitsch Lenin«, die ihm tatsächlich neben dem bedingungslosen Einsatz für die Sache der Partei die

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