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Friesisch Roulette

Friesisch Roulette

Titel: Friesisch Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marvin Entholt
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gleich.
    Im Hinausgehen nahm sie seinen Wildlederblouson vom Bügel, hängte ihn auf ihren Zeigefinger wie auf einen Kleiderhaken und hielt ihn Beckmann hin. Der schaute sie fragend an, sie ließ ihren Blick demonstrativ von oben nach unten und wieder zurück über sein pinkes Shirt mit dem großen Schriftzug gleiten.
    Beckmann hielt an sich, ging einem Gespräch über Männermode aus dem Weg, griff die Jacke und folgte ihr nach draußen.
    Auf dem Weg zum Wagen fiel ihm doch noch etwas ein, das er im Obduktionsbericht gelesen und zumindest für ihn Neuigkeitswert besessen hatte.
    Â»Er war wohl an irgendetwas gefesselt«, berichtete er stolz, »mit Klebeband.«

28
    Enno hatte es so lange wie möglich hinauszögern wollen. Aber sicher war sicher. Es half nichts.
    Er zog seine Kamerunschafdame Trudi an einem Strick hinter sich her und ging querfeldein, zwei Kilometer zum Nachbarhof. Es war wieder den ganzen Tag nicht richtig hell geworden, jetzt dämmerte es endgültig, und die Wolken hingen tief. Erst hatte es heftig geregnet, und nun nieselte es, die Wege waren morastig, Ennos Gummistiefel erzeugten ein schmatzendes Geräusch.
    Enno hatte es bislang halbwegs geschafft, die Ereignisse der letzten Tage auszublenden, aber durch die blöde Fragerei der Polizei wurde es unmöglich, und er musste nun nicht nur wieder an alles denken, sondern auch noch handeln, obwohl er doch immer noch längst nicht verstand, was da eigentlich passiert war.
    Er stellte sich vor, wie Focko mit der geklauten Pistole vom alten Heinrich Siedenbiedel am Küchentisch saß.
    Mit der geklauten Pistole und einer Mettwurst, von der er sich etwas heruntersägte.
    Vermutlich war es Heinrich Siedenbiedel klar, dass nur Focko als Dieb in Frage kam, wenn es denn kein Fremder war. Aber warum sollte sich ein Fremder zu ihnen verirren, der Mettwurst und eine Waffe gebrauchen konnte?
    Außer den paar Touristen, die unbegreiflicherweise Spaß oder zumindest eine Form masochistischer Freude daran hatten, bei jedem Mistwetter im steten Gegenwind über die Deiche zu radeln, kam eigentlich niemand zu ihnen. Warum auch? Es gab ja nichts zu sehen, und das war allen im Dorf sehr recht.
    Also blieb nur Focko. Focko, der Verrückte, bei dem jeder Angst hatte, dass er irgendeinen Blödsinn machen könnte, und genau deshalb sprach keiner darüber, dass er vielleicht der Einbrecher bei Siedenbiedel gewesen sein könnte. Um ihn zu schützen, um ihn wenigstens nicht auch noch zu verpfeifen, wenn sie ihn schon nicht ernst genommen hatten in seinem wilden Engagement gegen alles, das ihre Ruhe stören könnte.
    Aber vielleicht hätten sie doch etwas sagen sollen, vielleicht hätten sie Focko genau davor bewahren können: einem Blödsinn. Aber es war ja alles viel zu schnell gegangen.
    ***
    Ãœber seinen Grübeleien hatte Enno den Hof von Focko erreicht. Eigentlich waren es sogar zwei Gehöfte, die nebeneinanderlagen. Fockos Eltern stammten aus zwei Nachbarsfamilien, und das Paar hatte beide Höfe behalten. Was hätten sie auch anderes machen sollen? Kaufen wollte in der Gegend sowieso niemand etwas, Aussteiger mit romantisierender Landsehnsucht gab es hier wenige, die nächste Großstadt war einfach zu weit weg.
    Als Fockos Mutter starb, verfiel als Erstes der Hof ihrer Familie. Fockos Vater verkümmerte in gleichem Maße und sorgte sich auch nicht mehr um den eigenen Hof, und so verkamen beide Anwesen nach und nach.
    Focko hatte nur Küche und Schlafzimmer im väterlichen Hof halbwegs bewohnbar erhalten.
    Wilmine Ahlers hatte natürlich sofort gewusst, dass da nur die ordnende Hand einer Frau fehlte, aber die gab es ja nun mal nicht bei Heinrich Siedenbiedel zu kaufen, und sowohl Focko als auch sein unterdessen verstorbener Vater mussten als eher schwer vermittelbar gelten.
    Ganz schön fertig alles, dachte Enno. Dagegen war sein eigener Hof ja noch gut in Schuss, obwohl sich sicher auch seine Eltern im Grab umdrehen würden, wenn sie sehen könnten, was aus ihrem Hof mit den schmucken Blumenrabatten geworden war. Sogar einen Steingarten hatte seine Mutter angelegt.
    Seine ganze Generation hatte irgendwie kein glückliches Händchen, sinnierte Enno. Focko, Johann, er selbst, keiner so richtig. Keine symmetrisch gestutzten Hortensien. Keinen Plan. Aber mit fünf Kühen und drei Säuen konntest du heutzutage auch keinen Blumenpott mehr gewinnen. Viel Arbeit,

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