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Friesisch Roulette

Friesisch Roulette

Titel: Friesisch Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marvin Entholt
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Deich liegt?«
    Â»Na, immerhin sind Sie der Einzige in der Gegend, der schon mal mit einem Tötungsdelikt in Verbindung stand«, offenbarte der Kommissar seine dürftige Argumentation.
    Â»Das war keine Tötung, sondern ein Unfall …«
    Â»Das hat der Richter damals anders gesehen.«
    Â»Tja.« Johann hatte keine Lust, noch einmal vergeblich auf »unschuldig« zu plädieren.
    Â»Herr Renken, besitzen Sie eine Waffe?«
    Â»Nö. Und wenn ich hundert hätte. An dem Abend war Harm bei mir. Wir werden den ja nicht zusammen umgebracht haben.«
    Der Kommissar sah für einen Moment so aus, als würde er diese Möglichkeit in Gedanken durchspielen, um sie dann wieder zu verwerfen.
    Â»Warum sind Sie damals zurückgekommen?«, fragte die Kommissarin.
    Â»Weil das Haus da war.«
    Â»Nur deshalb?«
    Â»Und weil hier Ruhe ist. Dachte ich. Aber das sieht ja nun nicht mehr so aus.«

26
    Enno stand in seiner Küche vor dem Päckchen, das an Focko Poppen adressiert war. Sollte er es öffnen?
    Focko würde es ja nicht jucken, aber es gehörte sich nicht, in anderer Leute Sachen rumzuschnüffeln. Andererseits hatte Enno das Gefühl, dass er dadurch vielleicht etwas erfahren konnte. Etwas, das ihn Focko besser verstehen ließ.
    Er wollte ihn unbedingt besser verstehen, jetzt, nachdem ihn das jahrelang nicht die Bohne interessiert hatte.
    Und Focko würde es nicht merken.
    Also griff Enno zu seinem Küchenmesser, schlitzte das Paket ebenso gekonnt auf wie zwei Tage zuvor sein eigenes Päckchen vom Army-Shop 24 und lugte in den Karton hinein.
    Obenauf lag Prospektmaterial und ein Anschreiben an »Herrn Volker Poppen«, das mit den Worten »Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Kauf« begann.
    Dann hieß es weiter: »Eine gute Wahl! Mandy, die rassige, dunkelhäutige Dschungelbraut für ausgedehnte Sex-Safaris. Nach welchem Lust-Abenteuer Ihnen auch der Sinn steht – Mandy ist allzeit bereit!«
    Enno ließ den Zettel entgeistert sinken, er wollte nicht mehr weiterlesen, aber der nächste Satz hatte ihn schon in seinen Bann gezogen: »Und ihre markantesten Intimzonen leuchten im Dunkeln.«
    Jetzt reichte es aber.
    Enno legte den Zettel auf den Karton. Er konnte auf die Schnelle nicht sagen, wann er sich zuletzt so geschämt hatte. Er wusste allerdings nicht, wofür er sich hauptsächlich schämte, für seine Neugier, sein Eindringen in Fockos einsame Intimsphäre, für dessen seltsame Neigung, für die zweifelhafte Erfindung, die da gefaltet in dem Karton lag – oder ob er es einfach nur traurig fand, dass Focko die rassige Mandy bestellen musste.
    Dann hätte er sein eigenes Einsiedlerleben auch traurig finden müssen, und vielleicht war es das, was Enno am meisten betrübte.
    Immerhin kein Rassist, schmunzelte Enno schließlich, als er aus dem Augenwinkel wahrnahm, wie ein Kamerunschaf in leuchtend roten Strapsen zur Tür hereinmarschierte, die gespitzten Lippen im selben Farbton geschminkt. Auch die Wimpern schienen irgendwie gefärbt und viel länger, als Enno sie bislang wahrgenommen hatte.
    Die Schafdame schwang elegant ihre haarigen Hüften, setzte einen verführerischen Schlafzimmerblick auf und zwinkerte Enno zu, der verunsichert zurückwich, gegen den Küchentisch stieß und die Teetasse von der geblümten Wachstischdecke fegte.
    Enno erwachte von einem Klirren. In seinem strapsdurchwirkten Traum hatte er den Bilderrahmen vom Nachtschrank gestoßen, in dem seine Jugendliebe Imke jetzt hinter Scherben schüchtern lächelte. Leider war Enno noch schüchterner als sie gewesen, und deshalb war es nie zu mehr als einem flüchtigen Kuss gekommen, den Imke ihm auf die Wange hauchte, als sie ihm das gewünschte Bild von sich geschenkt hat. Enno stand damals wie vom Donner gerührt, und auch die lange Wartezeit, die Imke ihm geduldig einräumte, reichte nicht aus, um wieder zu Sinnen zu kommen, und so ging sie dann einfach irgendwann.
    Später war sie nach Indien gezogen, das hatte er noch mitbekommen, und er stellte sie sich an der Seite eines langbärtigen Turbanträgers vor, mit Punkt auf der Stirn, und vielen Turbankindern, die mit kleinen Elefanten spielten.
    Enno richtete sich auf und war wieder ganz benommen, wenn auch jetzt aus völlig anderem Grund. Er war nicht sicher, was Traum und Wirklichkeit war, und als sein Kreislauf sich beruhigt

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