Friesisch Roulette
Beckmann trat erwartungsvoll neben ihn, gespannt auf Harms Ausdruck von Ãberwältigung angesichts dieses barbarischen Signals von zu allem entschlossenen Gewaltverbrechern.
»Jo, das ist tot«, stellte Harm fest, während Fliegen den Kadaver umschwirrten.
Beckmann sah Harm von der Seite fassungslos an. Mehr kam da nicht? War das so ein eiskalter Hund? Ein mit allen Wassern gewaschener Cop, der schon so vieles gesehen hatte?
»Weià ich auch nicht, wer so was macht«, ergänzte Harm und im Umdrehen: »Is ja âne ordentliche Sauerei.«
Als die Leute der Spurensicherung wie schwerfällige Geister in ihren weiÃen Overalls hereinwankten, wies Beckmann mit chefmäÃiger Geste stumm in alle Richtungen.
Harm stapfte nach drauÃen, er war sicher, dass es da nicht mehr zu entdecken gab, und er fragte sich, wann er Focko eigentlich das letzte Mal gesehen hatte.
Er ging hinüber zum Wohnhaus, klopfte, lief ums Haus, schaute in die Fenster, aber da war niemand.
***
In der Scheune schwärmten die weiÃen Geister aus und packten alles in kleine Tüten, was sie fanden: Stroh, Dünger, Fellproben vom Schaf, sie nahmen Fingerabdrücke an Tür, Schalter und allen herumliegenden Gegenständen und würden später nur die von Polizeiobermeister Busboom zuordnen können.
Sie kratzten Blutspuren von der Wand, vom Boden, vom Schaf, stellten Nümmerchen auf und machten viele Fotos, und nach einer Dreiviertelstunde saÃen alle mit ihrer Beute wieder in den Autos.
42
Johann versuchte, an seinem Nescafé die alte Freude zu entwickeln. Er war erschöpft und fühlte sich gemartert. Zu viel war passiert in den letzten Tagen, und er hoffte, dass nun endlich Ruhe einkehrte. Er nahm den letzten Schluck aus dem Becher und machte sich auf den Weg, Elfi zu begrüÃen.
Er betrat die Scheune, Elfi grunzte, als sie ihn hörte, und Johann stieà selbst einen Grunzlaut aus, als er plötzlich seine Schubkarre wieder sah. Darauf lag der tote Focko, fast so, wie er ihn selbst in dessen Scheune abgestellt hatte.
Wer wollte ihn hier in den Wahnsinn treiben? Wieso war der wieder hier? Wer trieb da ein Spiel mit ihm und legte immer wieder den toten Freund in seine Scheune? Und warum war jetzt auch noch die Folie aufgeschnitten, sodass man das Gesicht des Toten sehen konnte? War das Pietät oder ein Zeichen an Johann, eine Warnung vielleicht sogar?
Johann war entnervt, ratlos und ohne Kraft. Er setzte sich auf eine Kiste und fühlte sich leer.
Sehr leer.
43
Der Mann war Beckmann gleich suspekt vorgekommen. Forsch fuhr er vor, bremste schlitternd, sprang aus dem Auto, eilte so schnell zum Eingang, dass seine Kollegin einige Schritte zurückblieb, und pochte vehement gegen die Tür.
Enno öffnete nach einer Frist, die ihm angemessen erschien, und begrüÃte die beiden Ermittler mit einem »Moin« der eher abweisenden Sorte.
Beckmann drängelte sich an ihm vorbei, eilte in die Küche, nestelte aus der Innentasche seines Blousons, den er neuerdings ständig trug, ein Foto hervor und knallte es auf den Tisch.
Es war ein Foto des toten Schafes.
»Kennen Sie das?«
Beckmann kniff die Augen zusammen, um an Enno jede noch so kleine Gemütsregung ablesen zu können.
»Jo, das ist meins.«
GröÃer hätte Beckmanns Enttäuschung nicht sein können. Er hatte sich auf ein zermürbendes Kreuzverhör gefreut, an dessen Ende der in die Enge getriebene Enno hätte zugeben müssen, Eigentümer des Schafes zu sein. Und jetzt gab er es einfach unumwunden zu.
Enno wiederum dachte sich, leugnen ist zwecklos, auÃer ihm hatte keiner weit und breit Kamerunschafe, das würden selbst diese beiden Schmalspurdetektive herausfinden.
»Und?«, hakte Beckmann drohend nach.
»Was, und?«
»Was haben Sie dazu zu sagen?«
»Nix.«
Beckmann erlebte einen kurzen Anfall innerer Raserei, dachte: Bitte, bitte, versetzt mich zurück nach Göttingen, und fragte dann bemüht entspannt: »Und wieso nicht?«
»Was soll ich denn dazu sagen?«
»Herrgott, da hängt Ihr Schaf tot in irgendeiner Scheune, finden Sie das normal? Wollen Sie nicht wissen, wer das war?«
»Nö«, maulte Enno, »weià ich ja.«
Beckmann lief einen Kreis in der Küche, schaute zum Fenster raus, drehte noch einen Kreis. Ruhig bleiben.
Seine Kollegin übernahm mit tonloser Stimme.
»Wer war es?«
»Na
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