Friesisch Roulette
ich.«
Beckmann hörte auf zu kreisen und verstand endgültig gar nichts mehr.
»Wie, Sie?«
»Na ich«, wiederholte Enno, und weil er das Gefühl hatte, dass die Nervensägen keine Ruhe geben würden, bevor er nicht etwas mehr preisgab, ergänzte er seine Aussage. »Focko hatte mich gefragt, ob ich ihm ein Schaf verkaufe und das auch schlachten kann.«
»Ach, und das haben Sie da in der Scheune getan, ja? Und wo ist dieser Focko überhaupt?«, fragte Beckmann.
»Keine Ahnung. Hab mich auch gewundert. Aber verabredet hatten wir das ja. Da hab ich das denn eben allein gemacht. Bestellt ist bestellt.«
»Und wieso hing das da über Kopf?«, wollte die Kollegin wissen.
»Schächten nennt man das.«
»Ach, und ist das hier üblich?«
»Nö, eher nicht so. Vielleicht ist der Moslem oder was. Das hat der so bestellt.«
»Und wieso gab das so ein Blutbad?«
»Bin nicht so gut im Schächten. Ist ja nicht so üblich hier.«
»Dann werden wir diesen Focko mal befragen.«
Na denn man zu, dachte Enno sich.
»Man sieht sich.« Beckmann ging zur Tür.
»Wiedersehen«, sagte die Kollegin, während sie ihm nach drauÃen folgte.
Plötzlich machte Beckmann noch einmal kehrt, drängte an seiner Kollegin und Enno vorbei zurück in die Küche, griff sich das Videoband, das neben Kamera und Nachtsichtgerät lag, und hielt es triumphierend in die Höhe.
»Ha! Und das hier â¦Â«, er baute eine arg lange Kunstpause ein, um die ungeheuerliche Raffinesse seines Einfalls zu unterstreichen, »â¦Â nehme ich mit!«
»Dürfen Sie das denn?«, entgegnete Enno ruhig.
Beckmann schaute irritiert, fror mit in die Höhe gerecktem Arm ein und suchte den Blickkontakt zu seiner Kollegin. Die schaute demonstrativ aus dem Fenster.
»Na machen Sie mal«, erlöste Enno den Kommissar aus seiner Starre.
Beckmann eilte an Enno vorbei, die Kollegin folgte, und Enno achtete darauf, dass die Tür hinter beiden richtig ins Schloss fiel.
***
Auf dem Weg zum Auto gab Beckmann seiner Kollegin Raum, seinen brillanten Einfall zu loben. Nach einigen Schritten verfestigte sich in ihm jedoch der Eindruck, dass da wohl nichts kommen würde, und er setzte seine investigative Offensive fort.
»Ist das nicht verboten bei uns, das Schächten?«, fragte Beckmann.
Sie zuckte nur mit den Schultern.
»Ist das nicht komisch, dass der seine Schafe sogar nachts beobachtet und dann aber so brutal umbringt?«, verfolgte sie einen anderen Gedanken.
»Eben! Vielleicht beobachtet der ja etwas ganz anderes!« Triumphierend wedelte er mit der Videokassette. »Das Schächten ist übrigens gar nicht so brutal, die Tiere fallen langsam in Ohnmacht«, dozierte Beckmann. »Und das Fleisch ist wirklich zarter.«
»Aber so richtig können tut er es nicht«, hegte Oberkommissarin Hartung einen diffusen Argwohn.
»Sagt er ja selber.« Beckmann zuckte mit den Schultern.
Plötzlich ertönte ein Halali. Beckmann griff in die Innentasche des Blousons und beförderte sein Handy zutage.
»Beckmann, bei der Arbeit«, meldete er sich schneidig. »Ah ⦠hm-m ⦠okay ⦠danke.«
Das Gespräch war einseitig und dauerte etwa vierzig Sekunden.
»Das Blut aus der Scheune stammt von Caprinae«, referierte er.
»Und, wer ist das?«, fragte Kollegin Hartung im Duktus einer müden Mutter, die ihrem Kind zum hundertsten Mal erklärt, wie man richtig »Guten Tag« sagt. Sie konnte es auf den Tod nicht ausstehen, wenn jemand ohne Erklärung oder wenigstens Ergänzung des Vor- oder Zunamens irgendeinen Namen fallen lieÃ, den sie nicht kennen konnte, ihr damit aber das Gefühl vermittelte, dass es nichts Selbstverständlicheres gab, als zu wissen, um wen es sich handle. Caprinae! War das überhaupt ein Vor- oder Nachname?
»Die Gruppe der Ziegenartigen, der auch das Schaf angehört. Schafe sind Ziegenartige, für den Zoologen jedenfalls, sie â«
»Danke.«
44
Enno hatte genug von diesen Visiten, dem Durcheinander und dem unbefriedigenden Ergebnis seiner Aufzeichnungen. Es war Zeit für eine kleine Belohnung, und er wollte Heinrich Siedenbiedel fragen, ob er nicht eine Blechkanne hätte, der hatte doch fast alles.
Enno betrat den Laden â »Moin«, »Moin« zurück â, und bevor er seine Frage
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