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Friesisch Roulette

Friesisch Roulette

Titel: Friesisch Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marvin Entholt
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formulieren konnte, fiel sein Blick auf Johann, der im Regal hinten links nach Klebeband suchte.
    Enno vertagte spontan seine Kannenfrage, gab vor, sich bei den Plastikartikeln umzusehen, und richtete über die Schulter beiläufig eine Frage an Heinrich Siedenbiedel.
    Â»Hast du Focko mal gesehen?«, rief er ihm zu.
    Â»Hm-mmmm«, verneinte der.
    Â»Hab nämlich ’n Paket für ihn angenommen. Kannst’ ihm ja sagen, wenn du ihn siehst.«
    Enno schaute Johann dabei zwischen Plastiktrichtern und Butterbrotdosen hindurch intensiv an.
    Â»Hmmm-m«, machte der Krämer zustimmend.
    Â»Du vielleicht?«, fragte Enno Johann, der dessen Blick gespürt und sich umgedreht hatte.
    Mit einem Kopfschütteln wandte Johann sich wieder ab. Seit der Sache mit Ennos Bruder damals hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen.
    Â»Na denn.« Enno warf Johann einen langen Blick zu und verließ den Laden.
    ***
    Draußen zeichnete die Sonne unwirkliche Lichtinseln zwischen den Wolken hindurch auf sattgrünes Gras. Das dunkle Grau der unteren Wolkenschicht tendierte ins Violette, durch Lücken leuchtete die Schicht darüber in flammendem Orange.
    Die Lichtstrahlen, die die Erde erreichten, wirkten wie die Darstellung göttlicher Macht auf alten Gemälden, und tatsächlich sah es so aus, als würde von oben jemand mit einer gewaltigen Taschenlampe nach etwas suchen.
    Im Zentrum eines dieser göttlichen Spots stand eine einzelne Kuh.

45
    Beckmann spürte, dass er vor dem Durchbruch stand. Kamera und Kabel hatte er sich vom Nachbarn geliehen, nicht ohne die Brisanz seiner höchst geheimen Ermittlungen durchscheinen zu lassen. Dass der Nachbar sich gewundert haben könnte, weshalb die Polizei sich das Material für ihre Untersuchungen in der Nachbarschaft zusammenleihen musste, war ihm nicht in den Sinn gekommen.
    Alles war verkabelt und bereit, der Fernseher lief ohne Ton, stumm gestikulierte ein Moderator und trieb Kandidaten an, mit verbundenen Augen eine Pampelmuse auf ihrer Stirn zu balancieren.
    Beckmann erinnerte es an Kindergeburtstage von früher. Er war liebend gern auf Feiern gegangen, Götterspeise Waldmeister, Kuchen mit Dosenpfirsichen und Gelatine-Tortenguss, Sprühsahne und Kakao.
    Es war allerdings jedes Mal ein schweres Ringen für ihn gewesen, ob er den Einladungen folgen sollte, ob die Verlockung der Genüsse seine Scham und Angst überwiegen könnte, sich in den aufzutragenden Klamotten seiner Geschwister zum Gespött der anderen Kinder zu machen.
    Ein helles »Pling« beendete den Geburtstag, Beckmann stand auf, verschwand in der Küchenzeile und tauchte kurz darauf mit einer dampfenden Pizza wieder auf. Eine Minute weniger hätte es auch getan.
    Er setzte die »Quattro Stagioni« auf den Couchtisch, sich selbst auf das helle Ledersofa und betätigte den Startknopf.
    Die Show-Kandidaten, die inzwischen einen Slalom zwischen lebenden Pinguinen absolvieren mussten, verschwanden und wurden abgelöst von einem grünen Bild, auf dem man nach einer Weile in der linken Bildhälfte einen Baum identifizieren konnte.
    Der Baum bewegte sich leicht im Wind, Beckmann griff zu einem Stück der vorgeschnittenen Pizza, ohne den Blick vom Monitor zu wenden.
    Abrupt hielt er mit dem Kauen inne, als sich auf einmal von rechts etwas ins Bild schob. Es verschwand wieder, bevor es zu erkennen war, Beckmann kaute weiter, es kam wieder ins Bild, Beckmann stockte. Ganz langsam kaute er weiter, als könne er das beobachtete Objekt sonst in die Flucht schlagen. Es verschwand wieder, das Stück Pizza war aufgegessen.
    Jetzt schob sich wieder etwas (jemand?) ins Bild, diesmal weiter. Beckmanns Kinn sackte ab: Es war ein Schaf! Es war jetzt ganz ins Bild getreten, wandte den Blick zur Kamera und schaute direkt hinein. Seine Augen leuchteten groß und hell und grün wie die eines Aliens, der sich das erste Mal auf der Erde umschaute.
    Beckmann lehnte sich zurück, rieb sich mit den Händen das Gesicht und dachte nach.
    Er beugte sich wieder vor, nahm ein Stück Pizza und schaute weiter. Das war ja klar, dass sich nicht sofort der Täter mit Namen und Adresse vorstellen würde. Da würde schon noch etwas kommen.
    Das hatte er einfach im Gefühl.

46
    Nicolaj hatte in der Scheune, in der das Schaf bereits zu riechen begann, alles durchwühlt, was herumstand, jeden Eimer, jede Kiste, jedes Schubfach in alten Kommoden. Seine Finger

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