Friesisch Roulette
sich mit seinem Becher von der Raiffeisen-Warengenossenschaft vor den Fernseher, an den die Nachtsicht-Video-Installation angeschlossen war, und drückte feierlich auf »Start«.
Es begann zu flimmern, es war zu Beginn der Aufzeichnung noch nicht vollkommen dunkel gewesen, das Bild war grünlich eingefärbt. Langsam schob sich von links im Profil ein Schaf ins Bild, entschied sich aber um, drehte ab und blieb verschwunden.
Enno strahlte kurz, als das Schaf aufgetaucht war, aber nun wartete er schon zehn Minuten, und es tat sich gar nichts. Hatte er die Kamera falsch ausgerichtet? Wo waren die Tiere?
Etwas unwirsch betätigte er den Knopf für den Schnellvorlauf. Kaum hatte er draufgedrückt, flitzte im Schnellgang die ganze Schafherde von links durchs Bild und verschwand am rechten Bildrand.
Anhalten, zurückspülen, Normalgeschwindigkeit. Zufrieden beobachtete Enno die Parade der Schafe, die jetzt in angemessenem Schafstempo denselben Weg noch mal nahmen.
Enno versuchte, die Tiere auseinanderzuhalten, keine ganz einfache Aufgabe angesichts des monochromen Bildes, aber er war recht sicher, alle erkannt zu haben.
Dass die Tiere allerdings nur einmal kurz durchs Bild marschierten, entsprach nicht ganz seiner Vorstellung. Also wieder schneller Vorlauf.
Lange tat sich gar nichts.
Seine Fingerkuppe schmerzte schon, weil er den Knopf gedrückt halten musste. Welcher Idiot sich das wohl ausgedacht hatte.
Einmal huschte von rechts kurz ein Tier ins Bild, aber Enno war entschlossen, weiterzuspulen, bis sich ihm etwas Spektakuläreres bot. SchlieÃlich wollte er die nächtlichen Aktivitäten seiner gesamten Schafherde studieren und nicht für jedes kurz auftauchende Tier dankbar sein müssen.
Er spulte und spulte, die mitlaufende Uhr war inzwischen bei dreiundzwanzig Uhr sechsunddreiÃig angekommen. Kein Schaf weit und breit. Er musste den verflixten »Night Max« nachjustieren.
Da tat sich plötzlich etwas, und Enno lieà den Knopf los. Was er da sah, war kein Schaf und auch kein anderes umherstreunendes Tier.
Es war nicht sehr gut zu erkennen, aber es war ein Mensch, der etwas vor sich herschob, so viel war klar. Enno spulte noch mal zurück, der Mann kam noch mal angeschoben, und schnell war Enno dann auch klar, wen seine Schafbeobachtungsanlage da aufgenommen hatte: Johann mit seiner Schubkarre auf dem Weg zu Fockos Hof.
Dass nur Johann den toten Focko dort abgelegt haben konnte, war Enno ja gleich klar gewesen, aber mit Blick auf die Uhrzeit, zu der das Bild aufgenommen worden war, fragte er sich jetzt, ob das nicht genau die Zeit gewesen war, zu der er selbst mit seiner Trudi in der Scheune gewesen war, und ob Johann ihn vielleicht beobachtet haben konnte.
Enno sorgte sich kurz, dachte nach und kam zu dem Schluss, dass das eigentlich egal wäre. Warum er Trudi getötet hatte, würde Johann wohl kaum erraten haben, und beobachtet worden zu sein war ihm höchstens ein bisschen unangenehm. Weniger, weil Johann ihn für einen seltsamen Spinner halten könnte, sondern vielmehr, weil es eigentlich ein sehr intimer Moment war, bei dem er lieber allein geblieben wäre, allein mit Trudi.
41
Nicolaj flüchtete unter Verwünschungen in das schon bewährte Erlengebüsch. Er hatte ein Auto kommen hören, und aus seinem Versteck heraus konnte er beobachten, dass es sogar eine ganze Karawane von Fahrzeugen war, die da auf den Hof fuhr.
Allen voran die beiden Gestalten, die er schon am Vormittag beobachtet und als Polizisten verdächtigt hatte â zu Recht, wie sich nun herausstellte.
Hinterher kam ein uralter Audi 80 in Grün-WeiÃ, aus dem sich eine rundliche Gestalt in Uniform herausschälte. Vielleicht hätte der Wowa gefallen, der Wagen.
Gefolgt wurden die beiden Autos von einem schwarzen VW -Bus und einem Kombi, denen acht Menschen entstiegen, die sofort begannen, sich in weiÃe Papieroveralls zu hüllen.
***
POM Busboom wartete nicht auf die Spurensicherung und ging schnurstracks auf die Scheune zu, in der sich die Geheimzeichen der Mafia befinden sollten. Er griff mit einer Gründlichkeit alles an, was man nur anfassen konnte, Tür, Klinke, Lichtschalter, als sei er von der Mafia bezahlt worden, deren Spuren zu verwischen. Das war jedenfalls Beckmanns Verdacht, dem sein »Achtung, bitte nichts anfâ¦Â« zu spät über die Lippen kam.
Harm stand jetzt in der Scheune vor dem herabhängenden Schaf.
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