Frisch gemacht!
»Dann bleib halt zu Hause, das ist’s ja wohl, was du bezweckt hast.« Na herrlich. Dabei war er derjenige, der nicht wollte, dass ich wieder arbeite. Und jetzt, nach einem halben Jahr, das. Da denkt man, man kennt zwar nicht die gesamte Männerwelt, wer würde das schon von sich behaupten, aber wenigstens den eigenen Kerl, und dann so was. Ich habe es mir selbstverständlich nicht gefallen lassen: »Du wirst dich noch umgucken. In null Komma nix habe ich einen Job. Mit richtig viel Kohle. Und Claudia geht in die Krippe. Wie abgemacht. Und wenn du Lust auf Erziehungsurlaub hast, tu dir keinen Zwang an, ich werde dich auf jeden Fall unterstützen. Soweit es meine Arbeit zulässt. Du weißt ja, wovon ich rede.«
Drei Monate habe ich gebraucht, um eine Stelle zu finden. Drei richtig demütigende Monate. Die Welt, jedenfalls die Arbeitswelt, hatte nicht gerade auf mich gewartet. Die Einzigen, die sich gefreut haben, waren die Altpapiercontainer. Mit meinen Bewerbungspapieren hätte man locker die gesammelten
grünen Tonnen eines beliebigen afrikanischen Staates füllen können.
Dann bin ich, in meiner Verzweiflung, zu einer Zeitarbeitsfirma gegangen. Und auf Umwegen über eine Maklerfirma (sechs lange Wochen) beim Rhein-Main Radio und TV gelandet. Wer denkt: »Wow, welch ein Aufstieg«, war noch nie bei einem Sender. In Maklerfirmen arbeiten jedenfalls großteils fiese Möpse mit gemeinen Methoden. Gelernt haben sie das wahrscheinlich bei Fernsehfuzzis. Was da abgeht, kann man sich, wenn man die netten kleinen Sendungen sieht, nicht vorstellen. Aber der Reihe nach.
Nach fünf Monaten Zeitarbeit, als Vertretung in verschiedenen Abteilungen, hat mich RMRT , der Sender, doch tatsächlich gefragt, ob ich Interesse an einer festen Stelle habe. »Wir würden Sie gerne längerfristig an uns binden.« Welch ein Auftrieb. Bestätigung. »Ich muss gut sein, sie wollen mich haben«, habe ich Christoph freudestrahlend berichtet. »Sie zahlen weniger, wenn sie nichts mehr an die Zeitarbeitsfirma abtreten müssen«, hat er meinen Erfolg sofort relativiert. Etwas mehr Euphorie hätte mir schon gut getan. Ich habe mich trotzdem gefreut und das Angebot angenommen. Das Resultat: Ich arbeite nun für eine Unterhaltungsshow. »Raten mit Promis«, heißt die Sendung. Ähnlich originell wie der Titel ist auch die Sendung. Der Moderator testet einen Promi auf Herz und Nieren. Macht kleine Spielchen rund um Fitness und Wissensstand. Moderator dieser nicht direkt als innovativ zu bezeichnenden Show ist Will Heim (der eigentlich Willi heißt, das aber nicht lässig und witzig genug findet), der so schwul ist, dass man selbst im
härtesten Winter locker auf die Heizung verzichten kann, wenn er im Raum ist. Will kann ganz reizend sein – wenn er will. Kleiner Wortwitz. Leider will er selten. Seine Laune steigt und sinkt mit den jeweiligen Einschaltquoten. Und er ist der eitelste Mensch, den ich je kennen gelernt habe. Seine gute Seite ist, dass er gern lang schläft. Vor 12 . 30 Uhr erscheint der nie im Sender. Anrufe bis 11 . 00 Uhr sind strengstens untersagt: »Das schlägt auf meine Laune, und das wollen wir doch nicht.« Nein, wollen wir nicht, Will, denn seine Laune ist auch so meistens schwer zu ertragen. Was für den gut gelaunt ist, ist für mich irgendwas zwischen Depression und Amoklauf. Umso dankbarer sind wir normalen einfachen Mitarbeiter, wenn Will schön ausgeschlafen hat. Das ist ja das Gemeine an solchen Menschen. Wenn muffelige Zeitgenossen mal freundlich »Guten Morgen« sagen, gerät die Umwelt schon nahezu in Ekstase. Leute wie ich, mit einer gewissen Grundfreundlichkeit ausgestattet, werden hingegen schon angeraunzt, wenn sie mal eine Stufe runterfahren. »Na, sind wir heute schlecht drauf, keinen Sex gehabt oder was …?«
Montag ist immer ein heikler Tag in der Redaktion, denn unsere Sendung läuft samstags im Abendprogramm. Sonntags sind dann die Quoten da, und Montag ist der erste Tag, an dem wir uns gemeinsam diesen miesen kleinen Zahlen stellen müssen. Natürlich habe ich Sonntag im Videotext nachgeschaut, was uns heute erwartet. Die Quoten, sozusagen die Bibel der Fernsehschaffenden, kann man immer am darauf folgenden Tag der Sendung so ab 9 . 30 Uhr nachlesen. Auf der Fernsehseite der jeweiligen Anstalt. Wir hatten am Samstag 3 , 7 % Marktanteil und 50 000 Zuschauer.
Für Thomas Gottschalk wäre das ein Suizidgrund. Alles unter 15 Millionen ist für den doch ein sozialer Abstieg. Kurz vor der
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