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Frisch gepresst: Roman (German Edition)

Frisch gepresst: Roman (German Edition)

Titel: Frisch gepresst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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vernehmen. Der Gepiercte scheint harte Zeiten durchzumachen. Über allem die Stimme der Verhärmten: »Da sind Sie selbst dran schuld, machen Sie nicht so ein Theater, das ist ja widerlich. Schon ungeschmückt sind die Dinger nicht jedermanns Sache, aber das … « Christoph bleibt schockiert stehen. Sein Objekt der Begierde in Rage. Er ist sichtlich betroffen. Man sieht, wie ihm Gedanken durch den Kopf schießen. Ist sie eine Schwanzhasserin, tatsächlich sadistisch veranlagt? Kopfschüttelnd zieht er mich weiter. So schnell kann junge Liebe abkühlen, verrät sein angewidertes Gesicht. Ich kann die Verhärmte mehr als verstehen. Schon angezogen war der Tätowierte nicht gerade ein Leckerbissen. Ich hätte auch wenig Lust, ihm irgendeinen Ring aus seinem Ding zu wursteln. Christoph scheint flexibel zu sein. Blitzschnell wendet er seine Aufmerksamkeit wieder mir zu. »Abartiger Beruf, oder«, meint er leicht verlegen. Ich entschließe mich, gar nichts zu sagen. So schnell bin ich nicht wieder-zu-kriegen. Wäre ja noch schöner. Der muß sich jetzt erst mal richtig anstrengen.
    Im Röntgenraum erwartet uns ein muffiger kleiner Kauz. Keine Begrüßung nur ein schroffes »Sind Sie die gehaltene Aufnahme?« Ich nicke und er deutet auf eine Liege. »Sie müssen draußen bleiben«, herrscht er Christoph an. Wie einen Hund im Supermarkt. Brav trollt er sich. Autoritätsergeben. Der Kauz mustert mich ungeniert von oben bis unten und schraubt meinen Klumpfuß in eine Apparatur.
    »Achtung, jetzt tut’s vielleicht ein bißchen weh«, warnt er mich in einem Anfall von Sensibilität. Eine wunderbare Untertreibung. Er dreht den Fuß über den Hauptschmerzpunkt hinaus und klemmt ihn in dieser äußerst unangenehmen Stellung fest. »Was noch nicht kaputt war, ist es jetzt mit Sicherheit«, denke ich. Der Kauz zeigt einen Hauch von Mitleid: »Dauert nicht lange, muß sein« und entschwindet aus der Röntgen- und Folterkammer. Insgeheim handelt es sich hier nicht nur um die Notaufnahme, sondern wohl auch um einen der bedeutendsten Sadotreffpunkte Frankfurts. Nach dem Röntgen darf Christoph mich wieder abholen. Er ist ganz außer Atem. »Habe nur schnell einen neuen Parkschein gezogen«, hechelt er mich an, »sicher ist sicher.« Der Leptosom schien eine Strafzettelphobie zu haben. Oder einer dieser ganz korrekten Typen zu sein. Es geht zurück in Zimmer 3. Hier erwartet uns schon die Verhärmte. Sie zieht augenscheinlich alle Register, als Christoph hinter mir den Raum betritt. Blinzel, blinzel, grins, grins. Leckt sich sogar kokett mit der Zungenspitze über die Lippen. In der Hand hält sie meine Röntgenaufnahme:
    »Es ist ein Bänderriß, Frau Schnidt, ganz, wie ich vorhergesagt habe.« Sie hat tatsächlich das Wort an mich gerichtet und gemerkt, daß ich die Patientin bin! Ihr Gesicht ist ein einziges Strahlen wie das eines Kindes, das sein erstes Puzzle geschafft hat. Sie klärt mich über die verschiedenen Behandlungsmethoden auf: Operation, Gips oder Tapeverband. Bis die Schwellung abgeklungen ist, wird auf jeden Fall gegipst.
    Hat sich wirklich gelohnt, daß ich meine Fußnägel in Schuß gebracht habe. Es gibt ja kaum was Widerlicheres als ungepflegte Fußnägel, die vorne aus einem Gips rausgucken. So gelbliche, verhornte mit Hühneraugen womöglich. Oder abgeblätterter Lack.
    Beim Gipsanlegen hält mir Christoph ritterlich die Hand. Ich bin überrascht über diese plötzliche Geste der Zuneigung, aber sie fühlt sich gut an, seine Hand. Trocken. Händchenhalten mit einem Handschwitzer ist unangenehm. Kann Beziehungen schon im Anfangsstadium beenden. So ein glitschiges, weiches Etwas zu halten ist grausig. Für beide Seiten. Der Handtranspirierer geniert sich und schwitzt immer mehr, und der, der das nasse Etwas festhält, hat das Gefühl, einen labberigen Spüllappen oder einen gammeligen Goldfisch krampfhaft am Wegglitschen zu hindern. Ein Handdeo wäre wirklich eine phantastische Erfindung. Meine Mutter hat mir früher immer Kölnisch Wasser auf die Hände geschüttet. Mußte dann eingerieben werden. Roch ein bißchen nach Altersheim, aber die Hände waren trocken. Schöne, trockene Hände sind was Feines. Seine sind schön. Breit, aber nicht gedrungen. Zarte Haut, aber muskulöse Struktur. Kurze, aber nicht abgeknabberte Fingernägel. Keine abgepiddelte Nagelhaut. Sogar sauber sind die Nägel. Gerade geschnitten. Hände zum Schwärmen. Hände, die aussehen, als könnten sie zupacken. Männer mit kleinen, fipseligen

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