Frisch gepresst: Roman (German Edition)
charmant an. »Wurde ja auch mal Zeit.« Dummerweise ist es nicht Guiseppe. Auch nicht sein Ausfahrer, sondern Christoph. Aber gesagt ist gesagt. Ich gehöre halt zu der schnellen Truppe. Christoph ist leicht irritiert. Er guckt wie jemand, der einen Abend zu früh zur Verabredung kommt oder nach 3 Stunden merkt, daß er mit offenem Hosenlatz die Konferenz leitet: »Ich bin doch sogar zu früh, ist doch erst Viertel vor«, druckst der gedeckelte Christoph schuldbewußt. Ich merke, wie mir selbst die Ohren rot anlaufen. Und das, wo ich doch schon reichlich Rouge aufgetragen hatte. Ich sehe garantiert aus, wie die pausbackige Kleine auf der Rotbäckchenflasche. Erde, tu Dich auf, hier bin ich. Laß mich schnell versinken. Bitte Film, spule zurück und Neustart. Hinter Christoph tappelt Guiseppe die Treppe hoch. Was ein Timing. Strahlend streckt er mir 45 Minuten zu spät Lasagne und Tiramisu entgegen. »3 x Lasagne und 4 Portionen frische Tiramisu, Signora Andrea, wie immer, 57,60.« Muß dieser Depp, der anscheinend keine Uhr lesen kann, auch noch »wie immer« sagen? Als würde ich täglich mehrere Portionen Lasagne und Tiramisu verschlingen. Soll mich Christoph für eine unersättliche Freßmaschine halten? Für eine dieser Frauen, die gräßliche Eßanfälle haben und sich dann über die Kloschüssel hängen? Eine Eßgestörte. Ach, sollen sie doch alle denken, was sie wollen. Die Situation ist sowieso komplett vermasselt. Christoph schiebe ich erst mal ins Wohnzimmer. Nach dem Motto: »Mach’s dir schon mal bequem … « Lasagne und Tiramisu kommen in die Küche. Guiseppe steht erwartungsfroh vor der Tür. Was will der denn noch? Vielleicht mitessen? Oder erwartet er noch besonderen Dank für die verspätete Lieferung? Als ich sanft die Tür schließen will, obwohl er an sich verdient hätte, daß ich sie ihm vor der Nase zuknalle, hält er mir die geöffnete Hand hin. »57,60, Signora, per favore.« Stimmt, zahlen sollte ich wohl doch. Ich grapsche mein Portemonnaie aus dem Jackett von gestern und stelle fest, daß es finanztechnisch nicht sehr gut aussieht. Die teuren Äppler auf der Fete gestern. »Ähm, Guiseppe, ich zahle nächstes Mal«, stammele ich schon einige Nummern freundlicher. »Va bene, Signora, macht eh nix«, versöhnt er mich mit dem späten Liefertermin. Meckern kann ich ja jetzt wohl kaum mehr. Nach dem Kredit. Morgen muß ich unbedingt an den Bankautomaten. Schalterbesuche sind momentan nicht drin. Mein Dispo ist reichlich ausgeschöpft. Und wenn der an der Kasse, dieses kleine Muckelmännchen, beim Auszahlen dann so blöd guckt, als wäre es sein eigenes Geld, das er mir hinblättert, und zwar sein letztes, dann vergeht mir einfach alles. In diesem Blick, diesem einen stummen, den er mir zuwirft, steckt der Vorwurf schlechthin. Wie kann eine junge Frau so lax mit Geld umgehen? Bei dem, was die verdient. Unglaublich. Da muß man sich ja schämen. Deshalb gehe ich gerne zum Automaten. Weil der wenigstens nicht so ein Gesicht zieht. Obwohl die so ein Gerät garantiert auch bald noch erfinden. Künstliche Intelligenz sage ich nur. Da wird noch einiges auf uns zukommen.
Endlich zischt Guiseppe ab. Mal schauen, was Christoph so macht. Sitzt auf dem Sofa und grinst. Na, könnte schlimmer sein. Ich beschließe, in die Offensive zu gehen. »Ja leider konnte ich dich nicht selbst bekochen, mit dem Fuß einzukaufen war nicht möglich. Ich hatte schon auf der Treppe solche Schmerzen. Nächstes Mal werde ich mich aber richtig ins Zeug legen. Wo mir das doch auch so Spaß macht. Die Kocherei und das.« Winzige Notlüge. Er schluckt es. »Klar, kein Problem, ich esse gern Lasagne«, strahlt er mich an. Ich habe es gewußt, alle Männer lieben Lasagne. Das Thema wäre damit erledigt. Ich schiebe die Lasagne in den vorgeheizten Ofen und biete Christoph einen Drink an. Einen Aperitif. Campari Orange oder Martini oder einen kleinen Kir Royal. »Apfelsaftschorle, wenn du hast«, verlangt er schüchtern. Das darf ja wohl nicht wahr sein. Ein erwachsener Mann möchte eine Apfelsaftschorle. Ist er Fitneßfanatiker oder ehemaliger Alkoholiker, den ich mit einem Martini sofort wieder in die Abgründe der Sucht reißen würde? Oder will er nüchtern bleiben, um den Abend besser zu genießen? Einen ungetrübten Blick auf meine Figur werfen? Zurechnungsfähig bleiben? Hat er Angst, durch den Martini seinen Verstand zu verlieren? Will er einen guten Eindruck machen? Männer sind unergründlich. Trotz ihrer
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