Frisch gepresst: Roman (German Edition)
schnell beseitigt und, aufmerksam wie sie ist, gleich noch das Fenster kippt. »Heute wird aber endlich mal aufgestanden«, verpaßt sie nach einem netten »Moin, die jungen Mütter« Frau Tratschner einen klitzekleinen Rüffel. »Sonst tragen Sie die Stützstrümpfe womöglich lebenslang«, witzelt sie noch. »Heute kann ich sogar fliegen, ich fühle mich dermaßen leicht und befreit. Was eine richtige Verdauung einen Menschen verändern kann, das ist schon Wahnsinn«, antwortet Frau Tratschner kein bißchen beleidigt. Die ist nicht verkehrt, die Tratschner, bestätige ich mir meinen ersten Eindruck. Es macht einfach Spaß, recht zu haben.
Mit der Schwangerschaft damals, vor guten neun Monaten, hatte ich ja auch recht. Oder die Tests hatten recht. Sehr spaßig war das damals aber nicht. Für Christoph schon gar nicht. Er hat erst mal darauf bestanden, daß ich schleunigst einen Gynäkologen aufsuche. »Vorher diskutiere ich über diese abstruse Möglichkeit überhaupt nicht«, hat er mir gnädig mitgeteilt. Was an der Möglichkeit einer Schwangerschaft abstrus sein könnte, ist mir bis heute ein Rätsel geblieben. Abstrus wäre es, wenn ich Heike als Vater bezeichnet hätte. Es ist immer wieder erstaunlich, wie tumb und unerfahren sich Männer geben können. Daß die »abstruse Möglichkeit«, so habe ich meine Schwangerschaft seit dieser Bemerkung nur noch genannt, für ihn zur realen Bedrohung wurde, ging schnell. Nach dem Frauenarztbesuch, ausgerüstet mit dem obligatorischen hellblauen Mutterpaß und einem ersten Ultraschallfoto, war selbst der Oberskeptiker Christoph halbwegs überzeugt. Und wie so oft: Wenn etwas feststeht, kann sich Christoph auch damit anfreunden. Er braucht halt nur länger als andere. Abtreibung, das wußte er, kam für mich nicht in Frage. Nicht aus religiösen oder moralischen Gründen, sondern einfach, weil ich Lust auf ein Baby hatte. Oder meine biologische Uhr dermaßen laut getickt hat, daß ich eigentlich ganz glücklich über den Unfall war. Unfall ist an sich der falsche Ausdruck. Nachlässigkeit, Drauf-ankommen-Lassen wäre sicher präziser. Und dann war da Christoph. Wäre ein anderer der Verursacher, sprich der Erzeuger gewesen, hätte ich mich vielleicht nicht so spontan und rigoros entschieden. Die biologische Uhr einfach überhört. Aber ein Mann wie er, der über sein Schnarchen bedingt lachen kann, eine Parkuhr auch nachts füttert und sich mit dem Sex talentiert anstellt, so einer, mit dem kann man es auch längerfristig aushalten. Der könnte ein guter Vater werden. Denn eins wissen realistische Frauen, zu denen ich mich allemal zähle: Viel mehr sollte und kann man heute von Männern nicht erwarten.
Christoph war weder begeistert noch dagegen. »Wenn du meinst«, war alles. Und ich habe geantwortet: »Ja, ich meine, wir sollten es tun. Eltern werden, meine ich.« Er hat die Entscheidung akzeptiert. Und mir 2 Wochen später sogar einen Schutzumschlag für meinen Mutterpaß mitgebracht. Da wußte ich: Jetzt hat er es begriffen. Unseren Eltern, also seinen und meinen, haben wir es erst ein wenig später gesagt. Das mit dem Baby. Obwohl ich ein irrsinniges Mitteilungsbedürfnis hatte. Um dann, nachdem sie Bescheid wissen, endlich mal von allen geschont und gut behandelt zu werden. Da ist anscheinend meine Phantasie mit mir durchgegangen. Obwohl in den schlauen Büchern, die ich mir sofort beschafft habe, steht, daß alle äußerst rücksichtsvoll mit Schwangeren umgehen sollen. Aber seit wann steht in Büchern etwas über das wahre Leben? Wäre ja noch schöner.
Die gesamte Schwangerschaft war für mich eher enttäuschend. Von wegen: »Sie werden aufblühen und schöner denn je sein«. Aufgegangen bin ich wie ein größenwahnsinniger Kreppel, und Pickel habe ich bekommen, als wollte ich mich in die Pubertät zurückbeamen. Ein richtiger Akneschub. Wenn da was geblüht hat, dann die Pusteln. »Ihre Ausstrahlung wird ungeahnte Dimensionen erreichen«, diese Aussage habe ich fest geglaubt. Ungeahnte Ausmaße habe dann aber leider nur ich selbst angenommen. Von andauerndem Sodbrennen, so ab der 20. Woche, und Krampfadern gar nicht zu reden. Nächtliche Wadenkrämpfe und ständig eine gefüllte Blase waren noch die harmloseren Begleiterscheinungen. Richtiggehend verflucht habe ich das Ungeborene, meine Claudia, als ich das erste Mal eine völlig neue körperliche Schwäche an mir entdeckte: Hämorrhoiden. Kleine Geschwülste. Hügelige Knubbel im Pobereich. Am After.
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