Frisch verliebt - Mallery, S: Frisch verliebt
eines Babys.
Es war weder der Zeitpunkt noch die Methode, die er gewählt hätte, aber er konnte auch nicht behaupten, dass es falsch von ihr war, diesen Wunsch zu äußern. Wie Claires Musik war auch seine Tochter einfach wundervoll.
„Du bist so unruhig“, stellte Nicole nach dem Abendessen fest. „Will ich wissen, was los ist?“
„Ich muss spielen“, antwortete Claire. Seit dem Gespräch mit Wyatt hatte sie das Verlangen danach.
Nein, so war es nicht richtig. Das Verlangen hatte sie jetzt schon eine ganze Weile. Nach dem Gespräch mit Wyatt hatte sie es lediglich vor sich selbst eingestanden.
Nicole wirkte verwirrt. „Ich dachte, du spielst schon längst wieder. Die Studiotür steht manchmal auf, da kann ich dich doch hören.“
„Ich meine vor Publikum. Ich muss für andere Menschen spielen.“ Warnend hob sie eine Hand. „Das hat nichts mit meinem Ego zu tun. Ich brauche keine Zuhörer, um mich irgendwie als etwas Besonderes zu fühlen.“
„Ich hatte nicht vor, so etwas zu behaupten.“
„Du warst kranschig. Du hattest ein ganz kranschiges Gesicht.“
„Ich will nicht mal wissen, was das heißen soll“, grummelte Nicole. „Und hey, auch ich kann einfühlsam sein. Ich verstehe – du musst vor Publikum spielen, damit du herausfinden kannst, ob du mit deiner Panikgeschichte klarkommst. Wenn nicht, bist du fix und fertig.“ Sie unterbrach sich. „Das ist jetzt wirklich nicht böse gemeint.“
„Natürlich nicht.“ Claire seufzte. „Aber du hast recht. Ich muss mit dieser blöden Panikgeschichte fertig werden. Also muss ich vor Fremden spielen. Vor vielen fremden Leuten.“
„Was hast du vor? Du könntest dich an einer Straßenecke aufbauen. Vielleicht kannst du dabei sogar noch was verdienen.“
Claire ging darüber hinweg. „Ich hatte an eine Bar gedacht. Das wäre überschaubar und anonym. Kennst du hier so etwas in der Umgebung? Eine Bar, die ein Klavier hat, wo Talentshows veranstaltet werden, oder so etwas?“
Nicole hob eine ihrer Krücken und richtete sie auf Claire. „Du wirst nie und nimmer in einer Bar auftreten.“
„Warum nicht?“
„Du bist überhaupt nicht der Typ für eine Bar.“
„Ich plane doch auch keine zweite Karriere. Es geht lediglich darum, dass ich üben muss, öffentlich aufzutreten. Wirst du mir nun helfen, einen guten Ort zu finden, oder muss ich das allein tun?“
Nicole setzte die Krücke wieder auf den Boden. „Also gut“, gab sie widerwillig nach. „Ich werde dir ein paar nennen. Wirst du allein dorthin gehen?“
„Damit komme ich klar. Ich werde mir ein Glas Weißwein bestellen, mich dann ans Klavier schleichen und einfach anfangen zu spielen. Was wäre das Schlimmste, was dann passieren könnte?“
„Das möchte ich mir lieber gar nicht vorstellen. Wann willst du es tun?“
„Heute Abend. Jetzt sofort.“
Nicole wartete, bis sie Claires Wagen hörte, als sie rückwärts aus der Einfahrt fuhr. Dann griff sie zum Telefon.
„Es gibt ein ernsthaftes Problem“, sagte sie, als Wyatt sich meldete. „Du kannst dir nicht vorstellen, was Claire heute Abend vorhat.“
Sie erzählte es ihm und unterbrach dann seine fortgesetzten Flüche: „Ich weiß genau, was du meinst. Bring Amy zu mir. Sie kann hier übernachten. Dann gehst du los und schaust nach Claire. Mach es nicht zu auffällig. Bleib einfach irgendwie im Hintergrund und pass nur auf, dass alles mit ihr in Ordnung ist. Ich bin zwar sicher, dass sie es prima machen wird, aber ...“
„Hat sie irgendwann einmal mit dir über Spike gesprochen?“, fiel er ihr ins Wort.
„Welcher Spike?“
„Ein Kerl, der bei mir auf der Baustelle arbeitet. Verurteilter Verbrecher, zurzeit noch auf Bewährung, tätowiert, verheiratet. Er hat sie mal eingeladen und fast hätte sie Ja gesagt.
Schlagartig verwandelte sich Nicoles leicht ungutes Gefühl in elefantengroße Sorge. „Mach schnell!“
„Bin sofort da.“
Die „Greenway Tavern“ war besser beleuchtet, als sie es erwartet hatte, auch war sie relativ sauber und einigermaßen gut besucht. Claire ging zur Bar, setzte sich auf einen freien Hocker und wartete darauf, dass der Barkeeper den Weg zu ihr fand.
Sie hatte keine Ahnung, ob das nun eine typische Bar war oder nicht. Es gab zwei Billardtische, mehrere Fernseher, auf denen bei ausgeschaltetem Ton die Übertragung eines Baseballspiels zu sehen war, und aus Lautsprechern in der Decke dröhnte Musik. Ein einsames Klavier stand abgedeckt ganz hinten in der Ecke des Raums.
Die
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