Frisch verliebt - Mallery, S: Frisch verliebt
glücklich.
„Du drückst bei mir wirklich alle Knöpfe“, fuhr er fort. „Das Schlimmste daran ist, dass ich nicht weiß, was ich dagegen tun kann. Ich mag es, wenn die Dinge berechenbar sind, aber das bist du ebenso wenig.“
Überschaubar, dachte sie. Er wollte, dass seine Beziehungen überschaubar und bedeutungslos blieben. Sollte das heißen, dass ihm etwas an ihr lag? Mit Sicherheit brachte er eine Menge Energie auf, um gegen sie zu wüten.
„Ich würde mich nie zwischen dich und Amy stellen“, versicherte sie ihm.
„Das weiß ich, und es tut mir leid. Es ist so, wie du gesagt hast. Ich will nicht die Kontrolle verlieren. Ich will nicht, dass sie älter wird und sich von mir löst, und genau das wird eines Tages geschehen.“
Seinen Schmerz konnte sie sicherlich nicht ganz verstehen, denn schließlich hatte sie selbst keine Kinder. Aber sie konnte sich vorstellen, dass es schwierig sein musste.
„Amy liebt dich“, sagte sie, stand auf und ging zu ihm hinüber. „Du bedeutest ihr alles.“
„Im Moment noch, ja. In ein paar Jahren wird dann so ein Kerl auftauchen und versuchen, ihr das Herz zu stehlen.“
„Das würde aber nichts an ihrer Liebe zu dir ändern.“
„Mag sein.“ Er sah ihr in die Augen. „Ich will nicht, dass du mir nahekommst. Das ist eine meiner Regeln. Ich hatte versucht, dir das klarzumachen, aber nachdem wir zusammen im Bett waren, bin ich dahintergekommen, dass du nicht nach irgendwelchen Regeln spielst.“
Was sollte das jetzt bedeuten? Dass sie zu unschuldig war, um Regeln zu kennen, oder dass sie sie einfach nicht einhielt? Sie war sich nicht sicher und ... Sie legte die Stirn in Falten. „Moment mal. Es liegt ja wohl nicht an mir, ob ich dir nahekomme oder nicht. Das kontrollierst du allein.“
„Ich weiß.“
Da war etwas an der Art, wie er diese beiden kurzen Worte sagte. Etwas Dunkles, Erotisches, das bis in die Zehenspitzen prickelte und ihr Blut anheizte.
„Ich mache dich also an.“ Das war keine Frage. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie ihre sexuelle Macht.
„Mehr als du ahnst.“
Die elektrische Spannung zwischen ihnen schaltete sich ein.
Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Weiter auf ihn zugehen und alles aufs Spiel setzen? Oder in entgegengesetzter Richtung davonlaufen?
Er zog einen Mundwinkel hoch und sagte: „Lass gut sein, Claire. Das muss überhaupt nichts bedeuten.“
Aber für sie bedeutete es eine Menge. Dann aber konnte man den Fußboden oben knarren hören und sie erinnerte sich daran, dass sie nicht allein waren. Jeden Augenblick konnten sie gestört werden.
„Vielleicht sollten wir lieber zu einem Thema übergehen, das sicherer ist“, schlug sie vor und setzte sich wieder.
„Wie wär’s denn mit diesem Klavier? Hast du darauf geübt, als du klein warst?“
„Bis zu dem Tag, an dem ich gegangen bin.“ Sie klappte die Abdeckung hoch und legte die Finger leicht auf die Tasten. „Es wurde so lange nicht benutzt, dass es jetzt schwer ist, es gestimmt zu halten. Immer wieder wollen die Saiten in ihre alte Position zurück. Aber wir werden es schon hinkriegen.“
„Mit einem Instrument, das nicht richtig klingt, muss es schwer sein zu bezaubern.“
Überrascht versteifte sie sich. „Mit Zauberei hat das nichts zu tun.“
„Wie würdest du es denn nennen?“
„Ich weiß nicht. Für mich war immer alles geregelt. Mein ganzes Leben war vorausgeplant, von einer Konzertsaison zur Nächsten. Immer hatte ich sehr viel zu tun. Üben, reisen, Musik aufnehmen. Und jetzt tue ich nichts.“
„Was gefällt dir besser?“
„Weder noch“, antwortete sie, ohne nachzudenken, und merkte erst dann, dass es nicht stimmte. „Mir fehlt das Spiel.“
Er schien sich auf seinem Stuhl zu winden.
„Was ist los?“, fragte sie.
„Männliche Reflexreaktion: Problem erkennen, Problem beheben. Ich möchte dir sagen ,dann spiel doch’, aber ich weiß ja, dass es für dich nicht so leicht ist.“
„Diese Panikattacken“, murmelte sie. „Seit diesem ersten Morgen, als ich anfing, in der Bäckerei zu arbeiten, habe ich keine mehr gehabt. Vor meinem Auftritt in Amys Schule war ich zwar nahe dran, aber ich weiß, dass es mir besser geht. Zumindest in meinem normalen Alltagsleben. Aber kann ich auch wieder Konzerte geben? Ich weiß es nicht.“
„Du musst, Claire. Es ist das, wozu du geboren wurdest. Es ist deine Leidenschaft.“
Das mochte stimmen, aber sie hätte auch nichts dagegen, wenn etwas anderes ihre Leidenschaft sein
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