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Frische Spur nach 70 Jahren

Frische Spur nach 70 Jahren

Titel: Frische Spur nach 70 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Luft. „Ihr alle — und du, Tritze — ihr
geht jetzt in den Keller. Euer Zeug lasst ihr hier. Also los!“
    Sie machte einen Schritt zur
Seite, bezog Posten neben der Tür.
    Helga wagte einen schwachen
Protest.
    „Aber... im Keller... der ist
nicht renoviert. Und baupolizeilich nicht... In zwei Räumen besteht
Einsturzgefahr. Jedenfalls könnte sich was von der Decke lösen.“
    „Ist mir doch egal“, schrillte
es durch den Schlitz in der Strumpfmaske. „Los, los! Abmarsch!“
    Paola begann zu weinen. Aber
das half ihr nicht. Sie musste mit.
    Die Mädchen fassten sich an den
Händen und gingen voran, die Jungs stolperten hinterher — jeder für sich.
    Kevin dachte für ein paar
Sekunden an seinen Lieblingshelden in der amerikanischen TV-Serie. Der hätte
jetzt kurzen Prozess gemacht mit der Maskierten und ihrem Komplizen. Aber was
auf dem Bildschirm so cool abgeht, ist im wirklichen Leben doch sehr viel
heißer — nämlich lebensbedrohlich.
    Und Kevin dachte rasch an was
anderes — an seine beiden weißen Mäuse zu Hause — , weil er plötzlich das
Gefühl hatte, man könne seine Gedanken lesen.
    Helga Tritze ging als Letzte.
Hinter sich hörte sie die Maskierte.
    Was sollte das? Es war ein
völlig sinnloser Überfall. Oder ging es um Geiselnahme? Waren sie und die
Kinder das Faustpfand für irgendeine Forderung? Ging es darum, sie
auszutauschen gegen... ja, gegen wen?...vielleicht gegen einsitzende
Verbrecher?
    Ihr wurde übel bei dem
Gedanken.
    Die Kellertreppe war am Ende
des Flurs: schmal, dunkel, steil. Holzstufen führten hinunter. Jede knarrte. An
diesem uralten Fachwerkhaus war sehr viel aus Holz.
    Hinunter! Sie wurden in den
größten Raum getrieben. Der war am wenigsten einsturzgefährdet, besaß aber kein
Fenster, sondern nur einen schmalen Luftschacht, den man übrig gelassen hatte
beim Zumauern der ehemaligen Kohlenrutsche.
    Die Maskierte blieb draußen.
    Jetzt wurde Helmut
hereingeführt. Er war krebsrot im Gesicht — bei Angst sah er immer so aus — und
hatte die Hände erhoben. Eine Albernheit. Denn natürlich hatte er keine Waffe.
Und er war auch nicht der Typ, der sie hervorgeholt hätte.
    Hinter ihm kamen die Kinder.
Alle waren verstört bis auf Jörg, der mit seinen zwölf Jahren schon so
abgebrüht war, dass man Schlimmes befürchten musste. Sicherlich fand er diesen
Überfall geil, amüsierte sich. Und wäre der Maskierte — ein großer Kerl mit
ebenfalls grüner Strumpfmaske und Pistole — nur etwas zugänglicher gewesen,
hätte sich Jörg auf seine Seite geschlagen.
    Jetzt waren alle drin.
    „Darf ich doch etwas fragen?“,
rief Helga.
    „Was?“ Das kam von der Frau, die
sich offenbar zuständig fühlte.
    „Wir möchten wissen, was Sie
mit uns vorhaben.“
    „Das wirst du schon merken.“
    Hinter beiden Masken wurde
gelacht. Dann schloss der Große die Kellertür. Sie war stabil wie ein Burgtor,
zwar alt, aber aus dicken Eichenbohlen gezimmert und beschlagen mit
Eisenbändern, in denen die Schrauben so fest saßen — seit sicherlich 100 Jahren
— , dass kein Herausdrehen mehr möglich war.
    Ein schwerer Riegel wurde
draußen vorgeschoben. Dann war nichts mehr zu hören.
    Paola weinte wieder und wurde
von ihrer Freundin in den Arm genommen.
    Helmut Tritze sah seine Frau
an, immer noch mit hochrotem Gesicht. „Verstehst du das?“
    „Nimm endlich die Arme runter,
Helmut!“

    „Ach so.“
    „Nein. Ich weiß nicht, was das
soll.“ Sie sah die fragenden Augen der Kinder. „Keine Angst! Wir werden
bestimmt bald befreit.“
    „Das glauben Sie doch selbst
nicht“, meinte Jörg respektlos und rieb über seinen Bürstenschnitt. „Also, wie
ich das sehe, Leute, sind wir in einen heißen Fall verwickelt. Die beiden
Gangster sind total coole Typen mit geölten Waffen. Ich kenn’ mich da aus.“
    „Wir werden bald befreit“,
sagte Helga zum zweiten Mal. „Spätestens, wenn eure Eltern kommen — um euch
abzuholen.“
    Jörg griente. „Das ist aber
erst um vier Uhr nachmittags. Und ich muss jetzt schon aufs Klo.“
    Helga beachtete ihn nicht.
„Wisst ihr was! Wir vertreiben uns die Zeit und machen mal was ganz anderes.
Wir singen — Volkslieder.“
    Jörg, der sich in dieser
Situation den Paukern endlich mal ebenbürtig fühlte, stöhnte auf.
    „Volkslieder? Ist doch nicht
Ihr Ernst, Frau Doktor! Darf’s nicht wenigstens Hardrock, Techno oder Hiphop
sein?“
    Doch Helga, jetzt unterstützt
von ihrem Mann, bestand auf Volksmusik. Und alsbald ertönte , In einem

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