Frischluftkur: Roman (German Edition)
...«
»Natürlich traue ich mich!«, unterbricht ihn Zitterkalle empört.
»Lass mich doch mal ausreden. Also, dass du dich nicht traust ...« Er lässt seinen Blick suchend umherschweifen, bleibt kurz an den jungen Landfrauen hängen, die schnell abwehrend ihre Locken schütteln, sofern das Haarspray diese Bewegung zulässt, guckt dann zum Fenster, zwischen den Lampen, den Häkelgardinen und dem dichten Schwiegermutterzungen-Bewuchs hindurch ... und sieht Zitterkalles Trecker.
»Warum bist du eigentlich mit dem Trecker da?«
»Auto springt nicht an. Wahrscheinlich eingefroren.«
»Aha«, sagt Walter. Alle schaudern kurz bei dem Gedanken an die Kälte da draußen, Hans-Heinrich auch, weil ihm einfällt, dass seine Frau ihn wieder zum Schneeschippen und Eiskratzen verdonnern wird. Walter denkt an die Goldfische in seinem Zierteich. Der ist zugefroren. Ob er ein Loch da reinhacken müsste, damit die Fische Luft bekommen? Vielleicht sollte er das Zitterkalle machen lassen. Ist aber keine echte Mutprobe. Völlig ungefährlich.
Obwohl: Wenn er sich ganz in die Mitte stellen müsste, wo das Eis vielleicht noch nicht so dick ist ... quatsch, es friert schon seit einer Woche, und der Teich ist nur siebzig Zentimeter tief. Zitterkalle ist zwar auch nicht gerade groß, aber das Wasser würde ihm höchstens bis zur Hüfte reichen. Trotzdem sagt Walter: »Ich denke da an einen Teich ...«
Helmut fällt ihm ins Wort: »Genau! Der Badeteich! Wir wetten, dass du dich nicht traust, mit deinem Trecker über den Badeteich zu fahren.«
»Der ist nämlich zugefroren«, sagt Walter, weil er ja schließlich die Grundidee gehabt hat und den Triumph jetzt nicht einfach so Helmut überlassen möchte.
»Ha!«, ruft Zitterkalle. »Aber klar traue ich mich das! Für einen Kasten Bier übern Badeteich. Mit meinem Trecker. Hin ...«, er macht eine kleine, dramaturgisch wichtige Pause, »... und zurück!«
»Das ist aber total gefährlich. Da sind doch Quellen drunter ...«, murmelt Hans-Heinrich. Walter tritt ihm gegen das Schienbein. Nicht, dass der Trottel ihnen noch die Tour vermiest.
»Aua«, sagt Hans-Heinrich, schweigt dann aber.
»Ahhh!« und »Ohhh« raunen die jungen Landfrauen am Ecktisch und zücken ihre Mobiltelefone, um das bevorstehende Ereignis per SMS den anderen Landfrauen anzukündigen.
***
Piep-piep – piep-piep. Die Nachricht erreicht Petra, Marlies, Tina und Hanna, als sie gerade bei ihrem monatlichen Informationsaustauschtreffen zusammensitzen. Noch haben sie nicht viel herausgefunden, aber das fällt ihnen gar nicht auf, zu sehr sind sie damit beschäftigt, sich kennen zu lernen. Dass sie sich mögen steht inzwischen außer Frage. Aber immer noch ähneln ihre Treffen einem Taktierspiel, bei der jede überlegt, was sie von sich preisgibt. Trotzdem ist die Stimmung viel entspannter als in Anwesenheit des kompletten Ideenkreises. Hier, ohne Monique und ihren Hofstaat, fühlen sie sich gleichberechtigt, sie haben keine Angst, dass jemand sie lächelnd mit einer als Kompliment getarnten Beleidigung trifft. Oder dass heimlich gelästert wird. Hier kann Tina ausführlich über Bauch-Crunches dozieren, ohne dass hinter ihrem Rücken jemand mit den Augen rollt. Nein, das machen die anderen ganz offensichtlich, und deshalb ist es auch nicht schlimm. Hanna ziehen sie mit ihrem Putzfimmel auf, lassen sich aber dennoch von ihr Tipps geben, wie man die Fenster am besten streifenfrei sauber bekommt. Petra lässt sich von den anderen die alten Geschichten aus dem Dorf erzählen und immer wieder erklären, wer mit wem wie verwandt ist. Marlies darf so viel und so ausführlich schweigen, ohne dass die anderen das stört. Sie genießen ihre gemeinsame Zeit und sind fast ein bisschen enttäuscht, dass die SMS sie mit der Ankündigung stört, am Badeteich gäbe es gleich etwas zu sehen. Aber natürlich wollen sie das Ereignis nicht verpassen und machen sich schnell auf den Weg.
***
Zitterkalle reckt sich ein bisschen. Zu einem erfolgreichen Mann gehört eine aufrechte Haltung.
»Mach das lieber nicht«, sagt Karla hinter dem Tresen.
»Doch!«, antwortet Zitterkalle entschlossen. »Und ihr gebt mir jetzt noch einen aus!« Er will das Maximum aus der Wette rausholen. Ein Bier und ein Korn zusätzlich dürften noch drin sein. Mindestens.
»Okay«, sagt Helmut. »Aber dann geht das mal los!«
»Jawoll!«, antwortet Zitterkalle, trinkt langsam, aber zügig sein Bier aus und kippt den Korn hinterher. Jetzt kann ihn nichts und
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