Frischluftkur: Roman (German Edition)
Latextuchverkäufer. Er küsst einen der SOS-Rettungsmänner.
»Hmpf«, macht Tina.
»Der wird bestimmt nur beatmet«, vermutet Petra.
Edith schaltet schnell wieder zu einer anderen Kamera. Man sieht Monique mit einem sehr langen Stab in der Hand und aufgelösten Haaren. »Du machst das gut«, lobt eine männliche Stimme.
»Ahhhhh, sehr interessant«, sagt Tina. »Ja, ich glaube, das wollen wir haben. Was kostet das denn?«
»Dieses Vorführset kann ich euch zum Testen erst einmal unverbindlich für drei Monate kostenfrei zur Verfügung stellen«, sagt Edith.
»Gerne!«, sagen die vier. Das heißt: Marlies denkt sich das nur, bewegt aber immerhin die Lippen.
Edith schließt die Koffer wieder und überreicht sie. Dann drückt sie den Freundinnen noch jeweils ein kleines The-Bestfor-the-Best- Probefläschen in die Hand und scheucht sie durch den engen Türspalt aus ihrem Messestandkämmerchen hinaus.
Draußen, in der frischen Hallenluft, kommen die vier Damen langsam wieder zu sich.
»Was war das denn?«, fragt Tina und schüttelt dabei ihr Haar.
»Keine Ahnung.« Petra reibt sich verwundert die leicht brennenden Augen.
Hanna hüstelt ein wenig. »War es richtig, das zu unterschreiben?«
»Aber natürlich!«, bestärken sich alle gegenseitig.
»Und die Koffer sind wirklich sehr schön«, bemerkt Tina. Ein wenig benommen und orientierungslos driften sie in verschiedene Richtungen.
Marlies, verwirrt von dem flirrenden Angebot, lässt sich in der überwiegend erdgepuderten Damenmenge treiben, stumm inmitten des einlullenden Geschnatters. Ob sie nicht lieber bei ihren Heftchen zuhause geblieben wäre? So ganz in Gedanken prallt sie gegen etwas Großes, Hartes, Olivgrünes. Marlies reibt sich die schmerzende Stirn – und bewundert den Panzer, der ihr so plötzlich den Weg versperrt hat. Ein Mann mit straffer Körperhaltung und vielen Broschen an der Jacke, die Marlies einwandfrei als Orden identifiziert, eilt auf sie zu: »Holde Maid, ist Ihnen ein Leid geschehen?«
Dieser Satz und der Anblick des strammen Kerls in Uniform löst bei Marlies mehr aus als alle Fresh&Clean -Putzmitteldämpfe zusammen. Sie ist willenloser, hingebungsvoller, geschmolzener und erregter denn je. Orden! Maid! Leid! Ein Mann wie aus einem ihrer Heftchen, nein, einem Taschenbuch ... ach was, wie aus einem Hardcover! Hardcover mit Schutzumschlag, denkt Marlies. Der ist richtig was wert . Sie würde alles tun, um mit ihm zu reden, und sie weiß, dass sie dafür eigentlich nur den Mund aufmachen müsste ... aber das gelingt ihr nur bis zum üblichen Vor-Staunen-die-Unterlippe-hängen-Lassen. Wörter kommen keine heraus. Den Herrn scheint das nicht zu stören.
»Darf ich mich vorstellen? Leutnant Müller-Meersack!« Er bietet Marlies seinen Arm an und eine Führung durch den Panzer. »Exklusiv und kostenlos natürlich.« Er sieht sie erwartungsvoll an.
»Ja.« Es ist nicht viel, was von ihr kommt, aber immerhin. Und es reicht auch, um den schnittigen Leutnant in Bewegung zu setzen.
Marlies hatte nicht geahnt, dass es all diese faszinierenden Hightechteile und das Kampfausrüstungszubehör auf dieser Hausfrauenmesse gibt! Solche Kostbarkeiten zwischen Wischmopps und Latextüchem? Sie muss träumen. Entschlossen kneift sich Marlies in den Arm. Aua. Nein, sie schläft nicht. Sie steht wirklich vor einem Informationsstand der Bundeswehr, garniert mit einem Mann, der aussieht wie der Hauptdarsteller aus dem Film, den sie neulich bei Ulf gesehen hat. Okay, der hatte von seiner Uniform nur noch ein paar Fetzen am Leib, die tief blicken ließen, dazu ein paar dekorativ geschminkte Wunden ... aber dieser Leutnant, der ist ganz und gar intakt. Und dann dieses Timbre in der Stimme, das klingt, als würde sich von der Ferne ein Kampfgeschwader Düsenflugzeuge nähern. Im Tiefflug direkt in Marlies' Magengrube. Einen kurzen Moment bedauert sie, dass sie noch nicht am The-new-me- Kurs teilgenommen hat, dann wüsste sie jetzt wenigstens, was zu tun wäre. Doch scheinbar muss sie gar nichts machen. Leutnant Müller-Meersack doziert über Panzerketten und PS und Schneetauglichkeit und Übungen unter »realen Kriegsbedingungen in der Lüneburger Heide«. Seine Orden blitzen und blinken und spiegeln sich in Marlies' Augen. Er erzählt von einem Schaf, das einmal unter den Panzer geraten ist und von dem vielen Blut und dass die Wolle kaum aus der Kette zu entwirren war. Ein wohliger Schauer läuft Marlies den Rücken hinunter.
»Wissen Sie, ich finde,
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