Frischluftkur: Roman (German Edition)
dass es mehr Frauen in der Bundeswehr geben sollte. Frauen wie Sie. Verstehen Sie, was ich meine?«
Marlies nickt vorsichtig. Ja, das versteht sie.
»Ich fühle mich von Ihnen ja so verstanden!«, betont Leutnant Müller-Meersack. Marlies meint, sie auch zu fühlen, diese harmonische Wolke von Verständnis, die sie beide umgibt und das Messegetöse außen vor lässt. »Kommen Sie, ich möchte Ihnen etwas zeigen«, fordert der Leutnant sie auf und reicht ihr seine Hand. Er geleitet Marlies umsichtig eine hölzerne Treppe hinauf zur Einstiegsluke des Panzers. Er öffnet den Deckel. Marlies denkt an die neuen Litschi-Dosen in Knurres Kramerlädchen. Sie hat heute Vormittag noch eine Sonderlieferung auspacken müssen, weil Frau Knurre an Haifischaugenschnaps als neues Trendgetränk glaubt. Wodka mit Litschi drin, sieht total echt aus. Marlies würde Herrn Müller-Meersack gerne davon erzählen, aber vielleicht würde der sich gekränkt fühlen, wenn sie seinen großen, starken Panzer mit einer exotischen Obstkonserve vergleicht? Also sagt sie lieber nichts, so wie immer, und überlegt sich, wie sie Leutnant Müller-Meersack ansprechen würde, falls es ihr denn doch mal gelingen sollte. Sir? Ja, ein scharfes Sir, das gefiele ihr. Sie lässt sich, gehalten von seiner Hand, in den Panzer gleiten und malt sich dabei aus, wie sie beide ganz allein unter realistischen Kampfbedingungen durch die Lüneburger Heide brettern und versuchen, feindlichen Schafherden auszuweichen. Diese Vorstellung findet Marlies romantischer als alles, was sie bisher in ihren Heftchenromanen gelesen hat. Müller-Meersack quetscht sich neben sie in den Panzer.
»Das«, der Leutnant versucht, auf etwas zu zeigen, doch er kann seinen Arm in der Enge kaum bewegen, »ist das ABC-Schutzsystem. In Gefahrensituationen erzeugt es Überdruck.«
Überdruck, denkt Marlies, ein passendes Wort.
»Ich fühle mich Ihnen so nahe!«, stöhnt er.
Ja, denkt sie, das könnte daran liegen, dass wir uns gerade wirklich sehr nahe sind. Sir, wie sie ihn in Gedanken schon nennt, riecht nach Old Spice. Männlich. Würzig. Nach Abenteuer. Er ist der Richtige! , glaubt Marlies in diesem Moment.
»Ich möchte Ihnen noch viel näher sein«, keucht Müller-Meersack. Marlies spürt einen kühlen Orden in ihrem Ausschnitt. Sie hat nichts dagegen einzuwenden. Er presst seine Hüfte an ihre. Schweres Gerät, denkt Marlies, zu ihrem Erstaunen ganz entzückt.
Doch leider, leider, leider öffnet sich in diesem Moment die Luke, die der Leutnant diskret über ihnen geschlossen hat, und ein weiterer Leutnant, nein, sogar ein Oberleutnant, steckt den Kopf hinein. Ein flotter Dreier! , denkt Marlies hocherfreut. Davon hat sie mal gelesen, zumindest eine Andeutung darüber, und die Idee hat ihr gefallen. Sie musste so lange auf den einen Richtigen warten, da können es ja ruhig auch zwei sein. Auf einmal. Sie kommt sich ein bisschen vor, als hätte sie im Lotto gewonnen. Okay, sechs Richtige hätten nun nicht in den Panzer gepasst, aber man muss ja am Anfang auch nicht gleich übertreiben.
»Terrorübung!«, brüllt der Oberleutnant.
»Tja, dann muss ich wohl mal. Die Pflicht ruft«, sagt Müller-Meersack bedauernd. »Wollen Sie mitmachen?«, setzt er mit einem Hoffnungsschimmer im Blick zackig hinterher.
Marlies ist einen kurzen Moment verärgert. Warum musste diese viel versprechende Situation jetzt schon zu Ende sein? Sie war doch noch gar nicht richtig in Schwung! Wann abgeblendet wird, bestimme ich , denkt Marlies ein wenig trotzig. Doch dann nickt sie nur. Terrorübung, das klingt auch nicht schlecht, da kann sie bestimmt noch was lernen. Galant helfen ihr Leutnant und Oberleutnant aus dem Panzer und führen stolz ihr neuestes Equipment vor. Marlies lässt sich demonstrieren, wie man eine terroristische Sprengfalle mit technisch-physikalischen Methoden beseitigt. Wie praktisch, denkt sie. Und diese Schutzkleidung, einfach schick! Vor lauter Begeisterung vergisst sie sogar ihre erotischen Anwandlungen. Und ob Müller-Meersack sie immer noch anschmachtet, kann sie unter der ABC-Schutzmaske sowieso gar nicht erkennen.
Tina, Petra und Hanna erkennen Marlies auch kaum wieder, denn sie trägt eine Vollschutzausrüstung in trendigem Olivgrün mit Helm und Schutzteilen und Stiefeln und allem Drum und Dran.
»Jaja, der Smart-Uniform-Look – darüber habe ich in einer Zeitschrift gelesen«, sagt Petra nach einer Schrecksekunde. »Den kombiniert man jetzt aber mit romantischen
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