Frischluftkur: Roman (German Edition)
attraktiv sein.«
»Das ist sie jetzt doch auch schon«, schnappt Hanna. Sie fühlt sich zwar nicht wie eine Glucke, aber dem Küken soll doch niemand zu nah treten, während sie in der Nähe ist. Das würde nicht ihrem Verständnis von der richtigen Ordnung der Dinge entsprechen.
»Ich meinte doch auch eher, dass das Programm gut für ihr Selbstbewusstsein ist«, korrigiert sich Edith mit gewinnendem Lächeln.
»Ach, ich weiß nicht ...« Marlies zögert.
»Nun komm schon«, drängt Tina. »Das ist doch eine super Vorbereitung für die Junggesellenversteigerung. Vielleicht ist das deine einzige Chance ...«
»Na gut«, willigt Marlies widerwillig ein und unterschreibt das Formular, das Edith ihr hinhält, damit sie wieder ihre Ruhe hat.
»Und wann finden die Männerseminare statt?«, fragt Hanna.
»Da habe ich gute Nachrichten: Wir haben ganz kurzfristig einen Top-Coach aus Los Angeles gewinnen können. Bei dem ist noch ein einziger Termin frei. Den könnte dein Heinz bekommen, Hanna!
»Moment, wann wäre denn das? Der muss zuerst noch den Rasen mähen!«
»Tja, das muss er wohl machen, wenn er wieder da ist. Wir würden ihn gleich heute abholen.«
»Heute schon?« Hanna staunt. »So schnell?«
»Ja, und am Montag bekommst du ihn zurück. Und ich kann dir versprechen: Du wirst ihn nicht wiedererkennen!«
Hanna denkt an den Rasen und zögert. Dann denkt sie an Heinz und sagt: »Ja, einverstanden!«
»Eine gute Entscheidung! Das nächste Seminar beginnt erst in drei Wochen. Ich hoffe, ihr könnt euch so lange gedulden. Bis zum The-new-me -Kurs sind es noch drei Monate. Marlies, hältst du bis dahin durch?«
Marlies ist erleichtert, dass sie nicht sofort ein neuer Mensch werden muss. Petra und Tina dagegen maulen ein wenig. So ein Kaufrausch ohne direktes Erfolgserlebnis, das ist nichts. Sie wollen etwas haben! Jetzt! Sofort!
Edith kennt diesen Effekt. Deshalb zündet sie jetzt Stufe zwei ihres Planes: »Ich habe da noch etwas Fabelhaftes für euch.« Sie zieht vier schnittige Alukoffer aus dem Regal. »Die perfekte Ausrüstung für die Operation Frischluftkur. Mir ist aufgefallen, dass ihr mit herkömmlichen Methoden nicht so recht vorangekommen seid. Vergesst nie: Wissen ist Macht. Ihr werdet nur glücklich, wenn ihr genug wisst. Erst dann können Monique und ihr Hofstaat nicht mehr mit euch machen, was sie wollen, euch als Arbeitssklaven missbrauchen.«
Petra, Tina, Hanna und Marlies zucken zusammen. Sie sind Arbeitssklaven? So hatten sie das noch nie gesehen. Also, schon manchmal. Aber laut ausgesprochen klingt das ganz anders. Viel ... entwürdigender.
»Lasst euch nicht länger davon abhalten, das Leben zu führen, das ihr schon immer führen wolltet«, spricht Edith weiter. »Ein selbstbestimmtes, ein glückliches, ein freies Leben.« Das klingt alles ein bisschen wie aus einem Handbuch für Demagogie abgeschrieben, erscheint den benebelten Freundinnen aber völlig einleuchtend.
»Damit«, sagt Edith und öffnet, klack, klack, klack, klack, nacheinander die vier Koffer, »werdet ihr die heimlichen Top-Agentinnen des Dorfes sein. Ihr werdet alles erfahren, niemand wird euch mehr etwas vormachen können.«
»Was ist das?«, fragt Hanna. Die anderen gucken auch etwas ratlos in die Koffer.
»Das ist ein drahtloses Überwachungskameraset mit integrierter Abhöranlage, USB- und Scartanschluss, Farbbildübertragung für beste Bildqualität, wetterfest und spritzwassergeschützt, Funkfernbedienung und schaltbares Funkmodul zum Ein- und Ausschalten. Alles digital in NASA-Qualität mit unverwüstlicher Teflonbeschichtung«, preist Edith das Equipment. »Dazu gibt es noch einen Laptop.«
Die vier Freundinnen sind platt. Marlies nimmt fasziniert einzelne Geräte aus den Koffern, dreht sie andächtig in der Hand hin und her und legt sie dann wieder zurück.
»Teflon ist gut«, sagt Hanna, um ihre Verblüffung zu überspielen, »leicht zu reinigen.«
»Ich kann euch das mal eben vorführen.« Edith klappt den Laptop auf. »Hier seht ihr Bilder, die ich in der letzten Stunde aufgenommen habe.«
Die vier Freundinnen beugen sich zum Bildschirm hin und sehen, wie Hanna geschminkt wird, hören, wie sie »Zuhause hätte ich mich das nie getraut« sagt. Edith klickt weiter, dann sehen sie sich am Stand des attraktiven Latex-Mannes.
»Kann man auch sehen, was der jetzt gerade macht?«, fragt Tina.
»Aber natürlich«, antwortet Edith und klickt ein wenig am Computer herum. Auf dem Bildschirm erscheint der
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