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Friss oder stirb

Friss oder stirb

Titel: Friss oder stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens G. Arvay
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Gemüse.
    Im Rahmen meiner Tätigkeit als Qualitätsmanager im Bio-Bereich wurde mir von Tag zu Tag bewusster, dass unsere Supermärkte und Discounter mit ihren Bio-Marken ebenso Lebensmittelverschwendung betreiben, wie sie es auch aus der konventionellen Produktion gewohnt sind. Bei den Bündelungs- und Zulieferbetrieben der Handelskonzerne stapelten sich tonnenweise Kisten und Container mit konventioneller und biologischer „Ausschussware“. Es waren Kartoffeln, die nicht der Norm entsprachen und zu groß oder zu klein waren, andere waren „unförmig“, wie es die Handelsleute nennen. „Unförmig“ sind beispielsweise Kartoffeln mit Herzform, Karotten, die zu schmal, zu breit, zu kurz oder zu lang sind beziehungsweise manchmal zwei Achsen haben und so weiter. Doch all diese „Ausschussprodukte“ hatten eines gemeinsam: Sie waren zu großen Anteilen völlig in Ordnung. Weder waren sie faul oder schlecht geworden, noch waren sie beschädigt. Man hätte sie jederzeit essen und genießen können. Sie entsprachen aber dennoch nicht den „Qualitätsrichtlinien“ des Lebensmittelhandels.
    Am 30. November 2012 strahlte der österreichische Rundfunk (ORF) im Rahmen der Sendung Am Schauplatz einen Beitrag zum Thema Lebensmittelverschwendung aus. „Nicht gut genug“, so hieß der Titel des Dokumentarfilms. Zu Wort kam unter anderen der Geschäftsführer der Landesproduktenhandelsgesellschaft (LAPRO) in Niederösterreich. Auch von dieser Bündelungsstelle aus wird konventionelles und biologisches Feldgemüse aller Art an die Supermärkte und Discounter im ganzen Land sowie teilweise im Ausland verteilt. „Wir erfüllen nur Kundenwünsche“, erklärte der Geschäftsführer Erich Kronberger gegenüber den Filmemachern des ORF. Mit „Kunden“ waren nicht die Verbraucherinnen und Verbraucher gemeint, sondern die Handelskonzerne. „Wir müssen große Teile unserer Ware aussortieren, obwohl sie eigentlich in Ordnung ist.“
    Pro Stunde fällt in diesem Betrieb beispielsweise eine ganze Tonne aussortierter Kartoffeln an, das sind 1.000 Kilogramm. Jeden Tag häufen sich 20 Tonnen „Abfallkartoffeln“. Bis zu 4.000 Tonnen Kartoffeln, also vier Millionen Kilogramm, werden pro Jahr allein bei der LAPRO aussortiert [22] . Es handelt sich um konventionelle genauso wie um biologische „Abfälle“.
    Am 7. Dezember 2012 postete eine Facebook-Benutzerin den Link zu dem genannten Dokumentarfilm des ORF auf der Facebook-Seite von Ja!Natürlich , der Bio-Marke von REWE in Österreich. Dabei wurde folgende Frage gestellt:
    „Wie geht Ja!Natürlich mit der Kartoffelernte um? Werden auch bei Ihnen die zu kleinen oder nicht symmetrisch geformten Kartoffeln tonnenweise aussortiert?“
    Die Antwort der PR-Mitarbeiterinnen, die im Hause REWE für die Facebook-Seite von Ja!Natürlich zuständig sind, enthält eine allgemein gehaltene Zusicherung [23] :
    „Der bewusste Umgang mit Lebensmitteln ist für Ja!Natürlich und REWE als Lebensmittelhändler grundsätzlich ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmensstrategie. Wie hoch der Ausschuss bei Kartoffeln ist, fragen wir gerne bei unserer zuständigen Qualitätsmanagerin nach. Prinzipiell spielt die Minimierung der Lebensmittelabfälle bei Ja!Natürlich eine wesentliche Rolle.“
    Die Angabe der Höhe der Ausschussmengen blieb bis heute aus [24] . De facto kann aber zumindest festgehalten werden, dass der im ORF-Dokumentarfilm gezeigte Betrieb (LAPRO) ein zentraler Zulieferer für den Großteil aller Supermarkt- und Diskontkonzerne in Österreich ist. Auch REWE wird von vergleichbaren Bündelungsfabriken beliefert und selbstverständlich gilt dasselbe auch für deren Bio-Marke Ja!Natürlich sowie für zahlreiche andere miteinander konkurrierende Bio-Marken. In all diesen Betrieben stieß ich stets auf dieselben kosmetischen Selektionskriterien für Gemüse und auf ein Ausmaß der Aussortierung, das ich nicht mehr verstehen konnte und wollte.
    Die Lebensmittelhandelskonzerne sind also die, deren „Kundenwünsche“ durch Bündelungsunternehmen wie die LAPRO erfüllt werden. Den Großteil der „Ausschussware“, die ich mir ansah, hätte ich jederzeit und ohne zu zögern gegessen. Mir gefielen die „unförmigen“ Kartoffeln sogar außerordentlich gut, ebenso wie die „Übergrößen“, aus denen man die schönsten und dicksten Ofenkartoffeln hätte machen können. Milan, ein Gastarbeiter aus der Slowakei [25] , war beim Anblick der Tonnen von ausgeschiedenen und entsorgten

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