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Friss oder stirb

Friss oder stirb

Titel: Friss oder stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens G. Arvay
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werden. Und weil auch die Putenherden unter der Zuchtherrschaft von KellyBronze nur maximal 5 Prozent Hähne umfassen, werden 95 Prozent der männlichen Küken auf der Fließbandanlage von einem rotierenden Messer automatisch getötet. „Wir nennen das Homogenisierung“, erklärte mir der britische Zuchtexperte.
    Die für die Nachzucht vorgesehenen Putenküken gelangen dann in fensterlose Hallen, von denen ich einen Teil besichtigen durfte. Dort werden sogenannte pure lines gehalten, die den genetischen Grundstock für die Hybridzucht liefern. Es handelt sich um die am strengsten selektierten Puten der Zuchtlinie. Von den pure lines unterhält man bei KellyBronze sechs verschiedene Gen-Pools, die nur dem Unternehmen selbst bekannt sind. Die Identität dieser Ausgangslinien unterliegt strenger Geheimhaltung, da es für das Geschäft nicht zuträglich wäre, wenn andere Landwirte und Züchter die Hybriden kopieren könnten. Der Großteil der Tiere findet aber als Großeltern- oder Elterntiere Verwendung, dient also der Produktion von Bruteiern bei künstlicher Besamung. Die Puten, die ich bei der Firma KellyBronze gesehen habe, sind also die unmittelbaren Vorfahren jener Tiere, die in ganz Europa konventionell oder biologisch gemästet werden. [ Abb. 12 ] Zucht und Vermehrung erfolgen aber ausschließlich konventionell. Dies stellt kein Problem dar, da laut den EU-Richtlinien für biologische Landwirtschaft bis hin zum Eintagsküken konventionell produziert werden darf, selbst wenn daraus eine Bio-Pute wird. (Diese Regelung gilt übrigens auch für Bio-Hühner.)
    „Aus hygienischen Gründen“ durfte ich die Stallungen nicht betreten. Ich erfuhr aber, dass die Tiere in den Hallen ohne Tageslicht leben und ihre Legeleistung durch künstliche Lichtprogramme gesteuert wird. Bis die Tiere 18 Wochen alt sind, werden sie jeden Tag 18 Stunden lang beleuchtet. Dann sind sie sexuell entwickelt, würden also laut ihrer biologischen „Uhr“ mit dem Eierlegen beginnen. Dies wird unterdrückt, indem das Lichtprogramm auf täglich acht Stunden reduziert wird. Nach 29 Wochen, wenn die Puten voll ausgewachsen sind, wird der Legetrieb aktiviert: 14 Stunden künstliches Licht pro Tag führen zwei Wochen später zur Entfaltung der vollen Legeleistung. „Sie legen dann Bruteier, bis wir sie töten. Das ist Standard“, erklärte mir der Produktionsleiter von KellyBronze.
    Ins Freiland dürfen diese Zuchttiere zeitlebens nicht.
    KellyBronze beliefert Vertragsproduzenten der biologischen und konventionellen Putenmast. Einen konventionellen Standort der Firma in England, an dem 9.000 weibliche Freilandputen („free range turkeys“) ohne Hähne leben, durfte ich mir noch ansehen. Wie schon bei Bio-Hühnern stieß ich dort auf wenig „Grünland-Idylle“, dafür aber auf vollgestopfte Hallen, in denen sich der Großteil der Tiere aufhielt. [ Abb. 13 ]
    Biobauer Carsten Bauck will aus dem Geschäft mit der Pute aussteigen, da es die Rahmenbedingungen des Marktes seiner Meinung nach derzeit nicht möglich machen, Puten ökologisch und artgerecht zu halten. Auch die Hybridpute von KellyBronze hat ihn nicht überzeugt: „Egal welche Pute man nimmt, die Tiere sind immer auf relativ hohe Brustanteile getrimmt. Puten sind ursprünglich Wüstenrandbewohner aus Nordamerika. In Mitteleuropa ist es im Vergleich dazu feuchter und kühler, das heißt, wir halten sie in klimatisch nicht geeigneten Bedingungen. Und da stellen wir einfach fest, dass wir in fünf Jahren Bio-Putenhaltung sechs Mal Antibiotika einsetzen mussten und die Häufigkeit des Einsatzes ansteigt. Vor einigen Monaten gab es eine Umfrage in der Geflügel-Branche, die ergeben hat, dass etwa 90 Prozent aller Puten im Bio-Bereich mindestens einmal Antibiotika bekommen [16] . Wie läuft es dann erst in der konventionellen Produktion? Mit Puten machen wir höchstens weiter, wenn wir wieder auf extensive Rassen wie die Cröllwitzer Pute mit geringeren Brustanteilen zurückgreifen können, die auch auf natürlichem Wege besamt werden kann und wo wir die Hähne gemeinsam mit den Hennen in der Herde leben lassen, anstatt sie als Küken zu töten.“ Für diese Entwicklung wolle sich Herr Bauck innerhalb des Demeter-Verbandes einsetzen, während er aber fürs Erste eine viel einfachere Lösung parat hätte: „Leute, esst einfach keine Pute!“, rief der Geflügelproduzent aus. „Die Pute gehört nicht nach Mitteleuropa, ihr braucht sie nicht für eure Ernährung, das muss nicht

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