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Friss oder stirb

Friss oder stirb

Titel: Friss oder stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens G. Arvay
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richtig brennen. Die Spritzmittel für den Bio-Obstbau werden jetzt von denselben Pharmakonzernen vermarktet, die auch hinter den konventionellen Pestiziden stecken. All diese Vorgänge entsprechen aber dem eigens erstellten Betriebsmittelkatalog für den Bio-Landbau und werden von den Bio-Kontrollfirmen mitgetragen und abgesichert.“
    Da die rein kosmetischen „Qualitätsvorgaben“ für ihn nichts mit dem tatsächlichen Wert des Obstes zu tun haben, sondern – ganz im Gegenteil – der Qualität sogar zuwiderlaufen, ist Martin Birnstingl mit seiner Entscheidung, nicht mehr an Handelsketten zu liefern, bis zum heutigen Tag zufrieden. Im Februar 2012 lieferte er ausnahmsweise eine Charge von mehreren Tonnen IdaredÄpfeln an den Discounter LIDL in Österreich. Die gesamte Warenmenge wurde wieder zurückgeschickt und nicht bezahlt. Der Grund: Beim Festigkeitstest erreichten die Äpfel nicht den Mindestwert laut Standardkatalog für die Qualitätsrichtlinien des Discounters. „Aber diese Vorgaben betreffend die Festigkeit sind nur nach den Interessen der großen Obstlagerhalter erstellt. Meine Äpfel waren von bester Qualität. Ich hatte sie bis in den Herbst hinein auf den Bäumen ausreifen lassen, wodurch sie einen sensationellen, süßen Geschmack hatten. Sie waren saftig und tiefrot gefärbt. Die Supermärkte bevorzugen Äpfel, die nicht ausgereift sind. Nachdem das Fruchtfleisch sehr fest sein muss, um die aus wirtschaftlicher Sicht besten Lagerungserfolge zu erzielen, fallen alle Äpfel, die am Baum ausgereift sind, auch bei Bio durch den Rost. Deswegen reißen die Bauern das Obst vorzeitig von den Ästen, um die Kriterien der Konzerne zu erfüllen. Da wollte ich nicht mitspielen und prompt schickte mir LIDL die reifen, geschmackvollen Äpfel als ,qualitativ unzureichend‘ zurück.“
    Bei Obst werden die Supermärkte und Discounter ebenso wie bei Gemüse und anderen Produktgruppen ausschließlich von Zwischenhandelspartnern beliefert, an die die Landwirte ihre Erzeugnisse abgeben. Im Fall von Obst und Gemüse ist auch von „Lagerhaltern“ die Rede. Bio-Apfelbauer Martin Birnstingl bemängelte in unserem Gespräch nicht nur, dass von diesen Unternehmen im Auftrag der Lebensmittelkonzerne Unmengen von Ware, die er für erstklassig hält, aussortiert werden, sondern auch, dass die Endabrechnung mit den Bauern immer erst circa ein Jahr nach der Ernte erfolgt. Die Zeitspanne zwischen dem Betriebsmitteleinkauf für eine Saison und dem finanziellen Rückfluss aus dem Warenerlös beträgt somit oftmals 18 Monate.
    „Besonders dramatisch für die Bauern ist“, bemängelte Martin Birnstingl, „dass sie also stets erst im darauffolgenden Jahr erfahren, wie viel sie für ihre Ware ausbezahlt bekommen. Die Preise werden aber erst nach Absprache der Obstlagerhalter untereinander festgelegt. Wenn ein Bauer einen Vorschuss – eine sogenannte Akontozahlung – erhalten hat und dann im Nachhinein sehr niedrige Preise ausgehandelt werden, kann es passieren, dass dieser Bauer plötzlich Schulden beim Obstlagerhalter hat.“
    Eines wollte der steirische Obstbauer unbedingt noch loswerden: „Ich will mich als Bio-Bauer auf keinen Fall als Opfer darstellen, sondern ich hoffe, dass sich auch durch meine Aussagen Impulse für Veränderung ergeben. Ich sehe eine Chance auf Bewusstseinsbildung und das Mündigwerden der Konsumenten.“
    Die massenhafte Vernichtung konventioneller sowie biologischer Lebensmittel durch die Handelskonzerne ist natürlich kein österreichisches Problem, sondern ist in Deutschland, in der Schweiz sowie in anderen europäischen Ländern anzutreffen. Nahe der kleinen Ortschaft Lampeter im Südwesten von Wales, in Großbritannien, traf ich den Farmer Sam Holden auf einer seiner Kuhweiden. Sam ist Bio-Bauer, hält auf etwa 50 Hektar Grünland 65 Milchkühe und stellt traditionellen Cheddar-Käse her. Das war nicht immer so. [ Abb. 15 ]

    Sam Holden: Wir produzieren unseren biologischen Cheddar-Käse erst seit 2007. Davor erzeugten wir seit den frühen 1980erJahren vor allem Bio-Karotten, zuerst für den regionalen Markt. Aber nachdem die Supermärkte in den Bio-Markt eingestiegen waren, verkauften wir immer mehr unserer Ware an diese Konzerne. Je größer das Bio-Sortiment der Supermärkte wurde, desto mehr Bio-Läden mussten schließen, sodass wir immer tiefer in die Abhängigkeit von Supermärkten schlitterten. In den Jahren 2005 und 2006 wurden die Probleme besonders groß.

    Clemens G. Arvay: Was

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