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Friss oder stirb

Friss oder stirb

Titel: Friss oder stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens G. Arvay
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passierte damals?

    Sam Holden: Wir verkauften unsere Karotten an SAINSBURY’S und hatten auf gewisse Weise sogar Glück. Wir konnten es nämlich durchsetzen, dass auf den Verpackungen der Name unserer Farm ausgewiesen wurde. Den Verantwortlichen der SAINSBURY’S-Supermärkte gefiel das, denn sie wollten die Geschichte der regionalen, kleinstrukturierten Landwirtschaft erzählen. Unsere walisischen Karotten wurden nur in walisischen Filialen verkauft und SAINSBURY’S machte eine große Story daraus. Aber was sie den Konsumenten nicht verrieten, war die Tatsache, dass unsere Karotten, bevor sie in den Regalen landeten, zuerst ans andere Ende von Großbritannien transportiert wurden, wo sich die zentrale Wasch- und Verpackungsfabrik befand. Unsere Karotten legten also tausend Kilometer zurück, um dann wieder hier in Wales zu landen – oft sogar in Filialen, die nur wenige Kilometer von unserer Farm entfernt lagen.

    Clemens G. Arvay: Welche Bedeutung hatte diese Prozedur für Sie als Bauer?

    Sam Holden : Unsere „regionalen“ Karotten wurden nicht nur tausend Kilometer transportiert, sondern auch in riesigen Anlagen zu großen Mengen gewaschen. Dabei büßten sie ihre Haltbarkeit im Regal ein. [Anmerkung: In solchen Bündelungsbetrieben wird die schützende Wachsschicht, die sogenannte Kutikula, aus rein kosmetischen Gründen abgeschliffen, was die Haltbarkeit der orangen Wurzeln stark beeinträchtigt. Auch das ist überall in Europa Standard.] SAINSBURY’S wälzte dann die Ausfälle finanziell auf uns ab. Die Ware wurde uns nicht verrechnet und wir mussten die Konsequenzen davon tragen, dass sie so viele Karotten wegwerfen mussten. Bereits bei uns auf dem Acker mussten wir 20 Prozent der Ernte aussortieren und liegen lassen. Es war erstklassige Ware, die aber den kosmetischen Vorgaben von SAINSBURY’S nicht entsprach. Wir mussten also Karotten von bester Qualität einfach ausschießen. In der Sortier- und Packstelle des Konzerns wurden weitere Karotten aussortiert. Es war eine riesengroße Verschwendung! Die Sache funktionierte für uns überhaupt nicht, weshalb wir mit dem Anbau von Karotten wieder aufhörten.

    Clemens G. Arvay : Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe, weshalb Supermarktkonzerne wie SAINSBURY’S Regionalität verkaufen möchten? Sind sie wirklich an Nachhaltigkeit interessiert oder geht es ihnen eher ums Image?

    Sam Holden : Es ist kompliziert. Es gibt sicher Leute in Supermarktkonzernen, die glauben, sie geben den Kunden, was diese wollen, und die für die vielen „Sünden“ der Lebensmittelindustrie die Verbraucher selbst verantwortlich machen. Man könnte ja argumentieren, dass die Konsumenten schuld sind, denn diese wollen billige Lebensmittel. Es gibt dabei aber einen Graubereich: Die Supermarktkonzerne spielen den Kunden vor, dass sie bekommen, was sie wollen. Sie behaupten zum Beispiel, ein Lebensmittel sei regional produziert und man unterstütze mit dem Kauf die kleinen Bauernhöfe. Wenn man aber genauer nachforscht, ist das nicht der Fall. Sobald man an der Oberfläche kratzt, stellt man fest: Kleinstrukturierte Betriebe werden nicht unterstützt. Sie machen – wenn überhaupt – nur winzige Anteile der Produktionsmengen aus. Das ist eine Art Greenwash. In Supermärkten wird den Verbrauchern weisgemacht, sie bekämen, was sie wollen. Aber es ist alles nur Fassade.

    Clemens G. Arvay : Roger Waite, Pressesprecher des EU-Agrarkommissars, glaubt nicht daran, dass die Verbraucher nur kosmetisch perfekt genormte Ware kaufen würden. Am Beispiel der Gurken argumentiert er: „In der Praxis wollen die Supermärkte keine krummen Gurken, weil sie nicht in die Kisten passen.“ [27] Die Handelskonzerne schieben die Verantwortung aber auf ihre Kunden. Glauben Sie, Sam, dass die Konsumenten im Supermarkt wirklich keine Karotten kaufen würden, die nicht kosmetisch perfekt oder nicht normgemäß geformt sind?

    Sam Holden : Natürlich würden sie auch andere Karotten kaufen. Das ist doch nur eine Frage der Information und Bewusstseinsbildung.
    Ist die EU schuld?
    Wichtig ist, festzuhalten, dass es sich bei den Normzwängen, die zu der großen Verschwendung genusstauglicher Lebensmittel führen, nicht etwa um EU-Vorgaben handelt. Das Gerücht hat sich gehalten, die Europäische Union schreibe den Lebensmittelkonzernen beispielsweise vor, Gurken ab einer gewissen Krümmung entsorgen zu müssen. Doch das ist ein Märchen. Stefan Kreutzberger und Valentin Thurn fragten für ihr Buch „Die

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