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Friss oder stirb

Friss oder stirb

Titel: Friss oder stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens G. Arvay
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Zwiebeln entsetzt und aufgeregt: „Da ist gar nichts schlecht an diesen Zwiebeln. Sie sind groß, fest und ganz schön gewachsen. Ich verstehe nicht, warum die Österreicher diese guten Lebensmittel wegwerfen. Anderswo essen die Leute so etwas, das ist perfekt. Selbstverständlich werde ich diese Zwiebeln essen.“ Milan deutete auf den gigantischen Berg weggeworfener Zwiebeln hinter ihm: „Das ist euer größtes Problem in diesem Land. Ich verstehe die Österreicher nicht!“
    Ein weiterer Grund für die immer gleichen „Qualitätsnormen“ sind die Maschinen selbst. Wasch-, Sortier- und Packmaschinen sind wichtige Elemente der Lebensmittelindustrie. Um schnell und effektiv zu arbeiten und große Mengen auszuwerfen, brauchen die Fließbandanlagen genormte Ware. Meine Gespräche mit den Produktionsleitern solcher Fabriken haben immer wieder ergeben, dass die sogenannte „Maschinengängigkeit“ bei der Erstellung der Normvorgaben eine wichtige Rolle spielt. Diesen Umstand verdanken wir der immensen Zentralisierung des Lebensmittelmarktes. Im herkömmlichen Handel liefert kein Landwirt mehr direkt, sondern es läuft alles über die großen zentralen Zwischenhandelsfirmen. Ware, die dort aussortiert wird, bekommen die Produzenten nicht verrechnet.
    Der österreichische Landwirt Martin Birnstingl blickt auf 20 Jahre Erfahrung als Bio-Apfelbauer in der Steiermark zurück. Auf vier Hektar baut er seit 1993 etwa zehn verschiedene Apfelsorten an. Die Hälfte der Ernte wird zu Saft verarbeitet, der Rest als Tafelobst verkauft, wobei der engagierte Bauer seine Produkte in ganz Österreich persönlich zustellt. Seine Kunden sind Privatpersonen ebenso wie Einkaufsgemeinschaften. Außerdem liefert er an einen Zusteller von biologischen Obst- und Gemüsekisten im Raum Wien. Das war nicht immer so. „Im Jahr 1994 suchten wir für unsere Gruppe von Bauern einen Verkaufskoordinator, der unsere Ware an die Handelsketten BILLA, MERKUR und SPAR vermittelte. Heute gehören BILLA und MERKUR zum REWE-Konzern.“
    Das war die Anfangszeit der Bio-Marken Ja!Natürlich und Natur*pur .
    „Wir waren damals extrem verwundert, dass es plötzlich möglich sein sollte, Bioprodukte an Supermärkte zu liefern“, blickte Martin Birnstingl zurück. „Bio war ja damals noch kein Thema. Unser Verkaufskoordinator, der in engem Kontakt mit den Handelsketten stand, erklärte uns, dass die Lebensmittelkonzerne lediglich einen einzigen Grundsatz kennen würden. In ihrem Marketing gehe es nur darum, die Menschen in die Supermärkte zu bekommen. Das Leitmotiv lautet: Wenn wir die Konsumenten erst in unseren Geschäften haben, dann haben wir schon gewonnen.“ Schon vor 20 Jahren ging es den Lebensmittelkonzernen also vor allem um das Image. Rückblickend gab Martin Birnstingl seine damalige Situation als Bio-Bauer mit folgenden Worten wieder: „Wir wurden als Lockvögel in diese Maschinerie hineingezogen. Ich stieg bereits im zweiten Jahr aus, weil die Situation für mich nicht länger tragbar war.“
    „Was war passiert?“
    „Binnen kürzester Zeit wurden die Normvorgaben für das Aussehen der Äpfel verschärft. Bio-Äpfel mussten plötzlich den kosmetischen Anforderungen von konventioneller Ware entsprechen oder diese sogar übertreffen. Bald ging es los, dass wir ganze Lastwägen an Äpfeln zurückgesandt bekamen, weil das Obst nicht den optischen Vorgaben und den teilweise kaum nachvollziehbaren Lieferkriterien entsprach, obwohl es von bester Qualität war.“
    Dieses Problem habe sich von Saison zu Saison verschärft, erklärte mir Martin Birnstingl. „Inzwischen müssen die Bio-Apfelbauern, um die kosmetischen Normen der Lebensmittelkonzerne zu erfüllen, auf das volle Programm der im Biolandbau zugelassenen Pflanzenschutzmittel zugreifen. Ansonsten haben sie keine Chance.“
    „Welches Spritzmittel halten Sie in der Bioproduktion für besonders problematisch?“
    „Es gibt – um ein Beispiel herauszugreifen – eine totale Überschwefelung im Bio-Apfelbau. Schwefel sowie Schwefelkalkbrühe werden gegen Pilzerkrankungen eingesetzt. [26] Die Äpfel dürfen ja nicht den kleinsten Fleck haben, nicht einmal einen Punkt. Um diese makellose Hochglanzproduktphilosophie erfüllen zu können, ist es in den kritischen Infektionsphasen oftmals nötig, alle drei bis vier Tage eine Spritzung durchzuführen. Da verwundert es kaum, dass empfindliche Menschen oft sogar beim Biss in einen Bio-Apfel eine Reizung der Mundschleimhäute spüren. Das kann

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