Friss oder stirb
Unseren Schlachtbetrieb gibt es noch immer, wir sind EU-gemäß zugelassen und das gilt auch für unsere mobile Schlachtbox.
Sicher: Es war nicht einfach, Widerstand zu leisten. Da gibt es wirklich Kräfte, die sich mit aller Vehemenz bemühen, gegen kleine, regionale Schlachtereien zu arbeiten und diese zu bremsen. Warum das so ist, kann ich mir nicht erklären, denn beim staatlichen Veterinäramt, das ja für Tierschutz zuständig sein sollte, müsste man als dezentraler Schlächter eigentlich offene Türen einrennen. Um politisch etwas zu bewirken, haben wir unseren Verein Uria e. V. gegründet, in dem wir Tierhalter unterstützen, die ähnliche Probleme mit den Behörden haben, wie wir sie früher einmal hatten. Unsere Internetseite lautet: www.uria.de
Clemens G. Arvay : Welche Interessen stehen dahinter, dass man es Tierhaltern so schwer macht?
Ernst Hermann Maier : Also, diese Frage könnte man auch so stellen, um ihre Tragweite bewusst zu machen: „Welche Interessen stehen dahinter, dass man Tierhaltern Schwierigkeiten macht, die ihre Tiere vor Ort schlachten und töten möchten, die nicht wollen, dass diese Tiere in zentralen Schlachtbetrieben landen und die den Tieren dieses ganze Elend nicht antun wollen?“
Darüber kann man nur spekulieren. Einer der Faktoren ist sicher das Machtdenken einzelner Personen in der Politik, die nicht mehr verstehen, dass sie eigentlich Diener der Menschen und nicht der Industrie sind. Sie werden ja auch von den Steuern der Menschen bezahlt. Außerdem gibt es massive wirtschaftliche Interessen der Fleischindustrie, die nicht möchte, dass es dezentrale Schlachtbetriebe gibt, die zum Nachdenken anregen und das derzeitige System infrage stellen könnten. Eines ist ganz sicher: Die überwiegende Zahl der Verbraucher will nicht, dass Tiere bei der Schlachtung leiden müssen, wenn diese schon gegessen werden. Die Politik sollte die Bedürfnisse der Menschen berücksichtigen, nicht die der Industrie. Die meisten möchten, dass das Tierelend bei der Schlachtung aufhört. Und bei Bio müssen wir endlich anfangen mit der Dezentralisierung.
Der österreichische Bio-Bauer Norbert Hackl in Burgau in der Steiermark hat mit dieser überfälligen Dezentralisierung der Schlachtung von Bio-Tieren bereits angefangen. Auf seinem Biohof Labonca hält er Freilandschweine, die in einem sogenannten „Weideschlachthaus“ auf dem Hof geschlachtet und danach direkt vor Ort verarbeitet werden. Die Bio-Schweine werden bereits einige Tage vor dem Schlachttermin auf eine drei Hektar große Weide gelassen, um sich dort zu akklimatisieren. Sofort nehmen sie ihr arteigenes Verhalten auf und finden auf der Weide tagelang Beschäftigung beim Wühlen und Erkunden. Am Tag X werden die Tiere dann im Fressbereich, an den sie sich bereits gewöhnt haben, betäubt, während sie entspannt der Nahrungsaufnahme nachgehen. Auf der Weide befindet sich direkt neben der Betäubungsstelle ein 120 Quadratmeter großes Gebäude, das die nötige Schlachtinfrastruktur beherbergt und an ein weiteres Gebäude angrenzt, in dem sich die Verarbeitungsräume befinden. Dort werden die Tiere dann, direkt vor Ort und unmittelbar nach der Betäubung, geschlachtet, ausgenommen, zerlegt und verarbeitet.
Außer den Freilandschweinen werden auf dem Hof auch Rinder, Schafe und andere Tiere von Bauern aus der Region, die sich an dem Weideschlachthaus beteiligen, geschlachtet – stets nach dem selben Prozedere mit vorangegangenem mehrtägigen Aufenthalt auf der Weide.
„Unser Projekt soll als Vorbild für lebensmittelautarke Regionen dienen und ein neues ,Schlachtbewusstsein‘ wecken“, schreibt Labonca-Landwirt Norbert Hackl auf der Homepage seines Biohofes [48] . „Wir hoffen, damit einen Entwicklungsprozess in Gang zu setzen.“
Das Projekt wird von Agrarwissenschaftlern und Veterinärmedizinern ideell sowie von interessierten Konsumentinnen und Konsumenten finanziell unterstützt. Letztere nämlich können von dem engagierten Bio-Bauern sogenannte „Genuss-Scheine“ erwerben: „Privat- und Kleinanleger können einen oder mehrere der nur 200 aufgelegten Genuss-Scheine im Wert von je 1.000,– Euro, maximal jedoch fünf Stück davon, kaufen“, steht auf der Homepage des Biohofes Labonca zu lesen. „Das Kapital wird auf zehn Jahre in Jahreszahlungen und mit einer fixen Verzinsung von 5,2 Prozent pro Jahr zurückbezahlt. Die Rückzahlung erfolgt in Form von jährlichen Gutscheinen zu je 130,– Euro für Naturalien aus dem
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