Friss oder stirb
Borstel : Für die Tierwelt ist die Streuobstwiese wesentlich besser als der industrielle Spindelobstbau. Das Gras unter den Bäumen kann genutzt werden, die Streuobstwiese bietet Tieren Schutz, die Vögel finden Nistplätze vor und es siedeln sich Insekten an. Wir können auf unserer eigenen Fläche bereits beobachten, wie sich die Vogel- und Insektenvielfalt wieder vergrößert. Das hat es hier früher nicht gegeben, als diese Anlage noch als intensive Plantage geführt wurde.
Clemens G. Arvay : Was müsste sich ändern, damit der Streuobstbau mit alten Obstsorten für die Bauern, die sich dafür interessieren, wieder wirtschaftlich tragfähig wird?
Dieter Meyer : Ein begrenzter Kundenkreis ist auch jetzt vorhanden und solches Obst lässt sich derzeit am besten über regionale Wochenmärkte verkaufen. Die Supermärkte kann man mit dieser Wirtschaftsweise aber nicht beliefern. Vielleicht könnte man die regionalen Absatzstrukturen noch schaffen, dann gibt es eine Chance.
Nicht nur der Obstbau brächte in seiner kleinstrukturierten Form besondere Vorteile für Umwelt, Tiere und Konsumenten. Ein leidiges Kapitel der modernen Agrarindustrie ist die Schlachtung von Tieren – ob Konventionell oder Bio. Im Handel gibt es kaum mehr ein Stück Fleisch, das nicht den Weg über industrielle Schlachthöfe gegangen ist. Unter den Vorgaben der machthungrigen Lebensmittelkonzerne könnten kleine, regionale Schlachthöfe nicht mithalten und es existieren nur mehr wenige bauerngeführte Schlachtanlagen. Die Betonung liegt aber auf „ wenige “, denn auf meiner Reise konnte ich mich davon überzeugen, dass es die Ab-Hof-Schlachtung oder die Schlachtung in der Region in der kleinstrukturierten Landwirtschaft noch gibt – aber nur dort. Beispiele von Betrieben, an denen man vorbildliche Konzepte der Schlachtung auf dem Hof und der effektiven Direktvermarktung umsetzt, werde ich im Laufe dieses Buches noch anführen, doch zunächst lasse ich Sie an einem weiteren interessanten Gespräch teilhaben, das ich während meiner Reise in Baden-Württemberg führte.
Ich traf den Bio-Rinderbauern Ernst Hermann Maier, der auch der Gründer von Uria e. V., eines „Vereins zur Förderung einer neuen Art der Tierhaltung“ ist. Herr Maier hat sich in den deutschen Medien einen Namen als „Der Rinderflüsterer“ gemacht. In unserem Interview sprach er über die Schlachtung von Tieren auf dem Bauernhof und darüber, warum wir die industriellen Schlachthöfe abschaffen müssen. Ernst Hermann Maier ist ein Agrar-Rebell: „Ich kann allen Amtspersonen, die sich schwer tun, die Betriebe zu unterstützen, die es gut mit ihren Tieren meinen, eigentlich nur eines versprechen: Sie werden uns nicht los!“ [ Abb. 30 ]
Ernst Hermann Maier : Den Titel „Der Rinderflüsterer“ habe ich mir übrigens nicht selbst verliehen. Das geht auf die Kappe der Medien, so etwas bekommt man heute einfach aufgesetzt. Aber ich bin zufrieden damit.
Clemens G. Arvay : Sie sind selbst Bio-Rinderbauer und erzeugen Rindfleisch …
Ernst Hermann Maier : Halt! Es widerstrebt mir, über mich zu sagen, ich würde Rindfleisch „erzeugen“. Ich sehe mich als Tierhalter, nicht als Erzeuger oder Produzent. Diese philosophische Unterscheidung ist mir sehr wichtig. Das Schlachten steht bei uns nicht im Vordergrund, sondern es ist eine Notwendigkeit, wenn man Tiere hält. Uns geht es also nicht darum, Fleisch zu „produzieren“, sondern darum, Tiere zu halten. Der wirtschaftliche Aspekt steht bei uns nicht an erster Stelle. Dort stehen bei uns die Tiere selbst. Auf unserem Bio-Hof weiden zurzeit 270 Rinder, das ist nicht gerade wenig, und wir mögen unsere Tiere, wir wollen, dass es ihnen gut geht. Unsere Rinder sind ganzjährig frei und werden keinen Zwängen ausgesetzt. Sie werden auch nicht „gemästet“ – das ist mir ganz wichtig.
Wenn wir aber Rinder halten, müssen wir Tiere aus Gründen der Bestandsregulierung regelmäßig aus der Herde nehmen. Unsere Herde ist vital, die Rinder vermehren sich regelmäßig. Wenn wir also Tiere aus der Herde nehmen, müssen wir ihre Körper so gut wie möglich vermarkten. Wir sind kein Gnadenhof, aber wir sind ein „gnädiger“ Hof und wir schreiben definitiv schwarze Zahlen. Wir sind mit unserer Wirtschaftsweise also erfolgreich.
Ich habe schon gesagt, dass das Wohlergehen der Tiere noch vor der Wirtschaftlichkeit stehen muss. Deswegen ist es uns wichtig, dass unsere Rinder ohne jeglichen Stress und ohne jegliche Angst
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