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Friss oder stirb

Friss oder stirb

Titel: Friss oder stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens G. Arvay
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Iain Learmonth können die Kunden aus einem stolzen Angebot von 16 verschiedenen Apfelsorten wählen. Die Learmonths verkaufen aber auch das Fleisch von seltenen Hühner-, Schaf-, Schweine- und Rinderrassen sowie die daraus hergestellten Produkte wie beispielsweise Speck, Schinken und traditionelle Würste sowie Black Pudding, eine bei den Briten begehrte Blutwurst aus Rinder- oder Schafsblut. Natürlich findet man auf dem Markt auch Fisch und Rohmilch, und die Organisatoren des Marktes bieten ein „organic box scheme“ an, also die Zustellung von Bio-Kisten an Londoner Haushalte.
    21 weitere Farmers’ Markets in London werden mit dem Leitspruch „we grow it, we sell it“ („wir bauen es an, wir verkaufen es“) von einer anderen Organisation der dezentralen bäuerlichen Direktvermarktung angeboten, die sich schlicht und unmissverständlich als „London Farmers’ Markets“ bezeichnet.
    In Berlin stieß ich auf die Markthalle Neun im Bezirk Kreuzberg, wo ausgesuchte Erzeuger und Händler wöchentlich ihre Waren anbieten. Die Markthalle blickt auf eine mehr als hundertjährige Tradition zurück und wurde am ersten Oktober 1891 als „Kreuzberger Eisenbahnmarkthalle“ eröffnet. Schon damals erhielt sie unter den zahlreichen Berliner Markthallen die Kennziffer Neun. Auf der offiziellen Homepage der heutigen Markthallenbetreiber steht zu lesen:
    „1977 kam ALDI [Anmerkung: in die Halle], und damit begann, was man den Abstieg der Halle nennen kann. Bald folgte DROSPA, zuletzt auch noch KIK. Für die kleinen Händler war das kein Glück. Immer mehr Stände wurden verlassen. Tristesse und Öde beherrschten die Gassen zwischen den leeren einstigen Läden. Neue Kioske konnten das nicht beheben.“ [49]
    „2009 hätte die Markthalle Neun endgültig an einen Handelskonzern verkauft werden sollen“, erzählte Udo Tremmel von Slow Food Berlin, während er sich Mühe gab, laut genug zu sprechen, um sich im Stimmengewirr des emsigen Treibens in der Markthalle Gehör zu verschaffen. „Es bildete sich aber eine Anrainerinitiative, die es durch Proteste und Widerstand tatsächlich erreichte, dass die Halle nicht an den Konzern verkauft wurde.“ Stattdessen wurde die Halle der sogenannten Projektgruppe Markthalle Neun übergeben, die seit 2009 im Dialog mit den Anrainern und auf transparente Weise ein Konzept zur nachhaltigen Nutzung der Halle verfolgt. Udo Tremmel: „Jetzt wird die Markthalle Neun wieder für den kleinteiligen, dezentralen Lebensmittelhandel genutzt. Dieser regionale Wochenmarkt findet derzeit nur freitags und samstags statt, aber das Projekt entwickelt sich. Die Halle ist jetzt schon ein Ort, an dem sehr viel über Lebensmittel diskutiert wird. So fand erst neulich eine Veranstaltung zum Thema Nachhaltigkeit statt, in der unter anderem erklärt wurde, warum wir weniger Fleisch essen sollten. Wir von Slow Food Berlin unterstützen die Markthalle Neun und wünschen ihr noch mehr begeisterte Kunden und eine erfolgreiche Zukunft.“
    Derzeit kann man in der geschichtsträchtigen Halle in Berlin-Kreuzberg biologisches sowie konventionelles Obst und Gemüse aus ausgewählter regionaler Produktion kaufen, aber auch – so wie auf den Londoner Farmers’ Markets – Pilze, Fleisch von Freilandschweinen, Brot und Gebäck, Milch und Milchprodukte etc.
    Im kleinen Städtchen Güssing im österreichischen Südburgenland gibt es einen Bauernladen, der den Namen „Stremtaler Schmankerl-Eck“ trägt und von Bauern aus der Region gemeinsam betrieben und beliefert wird. Man bekommt dort alles, was das Herz begehrt: Obst und Gemüse, Nudeln, Nüsse und andere Sämereien, Milch, Käse in allen Variationen, Butter, Joghurt und zahlreiche Milchprodukte, Eier, Brot, Wurst und Fleisch, Schnäpse, Getreide, Weine, Saucen und Konserven und sogar Bio-Tofu aus der Region. Diesen Laden sehe ich in Gedanken meistens vor mir, wenn ich vom dezentralen Lebensmittelmarkt spreche. Das Konzept ließe sich an jedem Ort auf der Erde wiederholen.
    Es stimmt zwar, dass regionale Bauern- und Bioläden in Bedrängnis geraten sind und viele von ihnen zusperren mussten, aber es gibt sie noch. Überall in Europa finden die entschlossene Konsumentin und der entschlossene Konsument Alternativen zu Supermärkten: Kleine Läden, Bauernmärkte, die Bio-Kistenzustellung, Lebensmittelkooperativen (Food-Coops) und Einkaufsgenossenschaften, Mitgliederläden oder „Gemüsewerkstätten“. Außerdem lässt sich der ökologische, regionale Nischenmarkt

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