Friss oder stirb
getötet werden. Das geht aber nur, wenn man diese Tiere in ihrer gewohnten Umgebung betäubt, ohne sie schon im Vorfeld zu beeinträchtigen. Sobald man anfängt, sie vor der Betäubung einzusperren oder sogar zu transportieren, ist es schon vorbei mit ihrem Wohlbefinden.
Clemens G. Arvay : Wie sieht Ihrer Meinung nach also die Lösung aus, um eine stressfreie Schlachtsituation zu schaffen?
Ernst Hermann Maier : Es muss Schluss sein mit den großen, zentralen Schlachthöfen. Man muss die Tiere in ihrem gewohnten Umfeld betäuben, dann vor Ort in regionalen und dezentralen Schlachtstätten schlachten und danach das Fleisch transportieren, nicht aber die lebenden Tiere, so wie das jetzt der Fall ist. Der Transport von lebenden Schlachttieren ist absolut verwerflich und gehört abgeschafft. Die Lösung ist also regional, dezentral . Wir brauchen die kleinstrukturierte Landwirtschaft und Verarbeitung.
Und wir beweisen jede Woche, jeden Tag, dass es funktioniert. Es funktioniert sogar sehr gut. Natürlich geht es nur, wenn man auch ausreichende Absatzstrukturen schafft und die Konsumenten bereit sind, etwas mehr für Fleisch zu bezahlen. Aber das sollte kein Problem sein, weil ja die Qualität solchen Fleisches exzellent ist. Die Tiere dürfen, um diese Qualität zu erreichen, nur Gras- und Graserzeugnisse als Futter bekommen und keinerlei Wachstumsbeschleuniger, wozu ich bereits Getreideschrot zähle, von Importfuttermitteln ganz zu schweigen. Als Futter kommt nur infrage, was bei uns auf der Wiese wächst.
Clemens G. Arvay : Stichwort „Bio“.
Ernst Hermann Maier : Die Bio-Fleischwirtschaft wird sich ganz schnell bewegen müssen, es muss aufhören, dass Bio-Tiere im Zuge der Schlachtung genauso würdelos behandelt werden wie die konventionellen. Denn wo soll man denn sonst anfangen, wenn nicht bei Bio?
Natürlich sind die Kosten der Schlachtung pro Tier in einem großen industriellen Schlachthof geringer als in einer dezentralen Kleinschlachtstätte. Aber das ist ja nur ein Teil der Kosten, die Vorleistungen werden in dieser Rechnung überhaupt nicht berücksichtigt. Alleine der Transport der lebenden Tiere ist ein großer Kostenfaktor, und es ist eigentlich unwirtschaftlich, lebende Tiere über weite Strecken zu transportieren. Auf diesen Kosten bleiben aber oft die Bauern sitzen.
Clemens G. Arvay : Welche Lösung schwebt Ihnen außer dem Aufbau von dezentralen Strukturen noch vor?
Ernst Hermann Maier : Um die Wertschöpfung im ländlichen Bereich zu behalten, müssen wir mit mobilen Schlachteinheiten arbeiten. Wir haben hier bei uns eine mobile Schlachtbox zweiter Generation mit EU-Zulassung entwickelt. Es gibt aber noch andere Initiativen in diese Richtung. Diese mobilen Schlachteinheiten kommen zu den Bauernhöfen, die Schlachttiere werden in ihrer gewohnten Umgebung betäubt und dann in der mobilen Schlachtbox getötet und entblutet. Danach werden sie zu einer dezentralen Schlachtstätte gebracht, die in maximal einer Stunde erreichbar sein sollte, wo sie ausgenommen und zerlegt werden.
Wenn man überlegt, wie viel Geld heute in der Landwirtschaft für einen Mähdrescher oder einen großen Traktor ausgegeben wird, ist es ein „Witz“, wie wenig dagegen eine mobile Schlachtbox kosten würde. Es ist dabei auch gar kein Problem, die EU-Vorgaben zu erfüllen.
Clemens G. Arvay : Weshalb mussten dann so viele kleine Schlachtbetriebe dichtmachen?
Ernst Hermann Maier : Es wird immer das Märchen erzählt, die EU sei schuld, dass es nur noch Industrieschlachthöfe gibt. Im Rahmen der Umsetzung der EU-Verordnung 853/2004 [Anmerkung: Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs] wurden unzählige kleine Schlachtbetriebe geschlossen – unzählige! Das war aber völlig unnötig. Damals kamen Veterinärbeamte, die die Verordnung willkürlich auslegten, wie es ihnen in den Kragen passte. Den Betreibern wurden hohe Auflagen erlassen, die zu hohen Investitionskosten geführt hätten. Die meisten Betroffenen sahen keine andere Option als aufzuhören, und es wurden viele kleine Schlachtereien geschlossen – zum Teil unrechtmäßig. Die Leute haben sich einfach nicht ausreichend zur Wehr gesetzt! Zu uns kamen sie auch und wollten unseren Schlachtbetrieb schließen. Aber ich musste nur lachen! Ich sagte: „Liebe Leute, ihr werdet doch nicht im Ernst glauben, dass ich meinen Schlachtbetrieb zusperre – dass ich nach 23 Jahren anfange, meine Rinder wieder in den Schlachthof zu transportieren.“
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