Friss oder stirb
ist, müssen sie sich mit Bällen oder Ketten begnügen, die ihnen zur Beschäftigung angeboten werden. Der Auslauf bietet meist keinen natürlichen Boden, in dem sie graben können. Ganzjährige Stallhaltung ist auf keinen Fall zufriedenstellend.“
Ich erinnerte mich an den Begriff „Strohschweine“, der in Österreich zu einem beliebten Marketingschlagwort der Lebensmittelkonzerne geworden ist.
„Stroh reicht nicht aus, den Schweinen ihre artgemäßen Verhaltensweisen zu ermöglichen“, sagte Peter Brown. „Unter dem Stroh befindet sich auch in der biologischen Haltung meistens Beton, was ebenso für den Auslaufbereich vor dem Stall gilt. Die Haltung auf Stroh kann auf keinen Fall der Freilandhaltung das Wasser reichen.“
Ich verbrachte einen ganzen Tag auf der Tablehurst Farm, wo mich Peter Brown durch sämtliche Produktionsbereiche führte. Das Farmland umfasst 200 Hektar, auf denen ich auf Masthühner, Puten und Gänse stieß, die allesamt in überschaubaren mobilen Stalleinheiten untergebracht waren. Ich traf auf Schafe, Rinder, Freilandschweine und vielfältige Gemüsekulturen. Die Futtermittel für die Tiere sowie das Saatgut werden auf dem Hof angebaut und verarbeitet. [ Abb. 33–34 ]
Auch auf der Tablehurst Farm hat man es geschafft, von Handel und Industrie unabhängig zu werden. Neben der Zustellung von Bio-Kisten, die nur einen geringen Teil des Absatzes ausmacht, verfügt die Farm in erster Linie über effektive Kanäle der bäuerlichen Direktvermarktung. Zu dem Betrieb gehören eine eigene Geflügelschlachterei mit Verarbeitungsräumen, eine „Pie Kitchen“, in der traditionelle englische Pasteten wie der Shepherd’s Pie (Schäferpastete) hergestellt werden, eine Molkerei und Käserei sowie ein Hofladen mit großer Auswahl, in dem auch die Bio-Eier von Daniel Hobericht verkauft werden, der seine Legehennen ganz in der Nähe im Obstgarten hält – ich habe bereits berichtet. Außerdem verfügt man auf der Tablehurst Farm über ein Kaffeehaus sowie einen Outdoor-Gemüsemarkt und es werden wöchentlich Grillfeste mit hofeigenen Produkten veranstaltet. Die Schweine, Rinder und Schafe werden in einem nahe gelegenen kleinen Schlachtbetrieb geschlachtet.
Die Farmprodukte können uneingeschränkt von jeder Konsumentin und jedem Konsumenten gekauft werden. Allein über den Hofladen wird jede Woche das Fleisch von einem Rind, von sechs Schweinen, vier bis sechs Lämmern und 200 Hühnern vermarktet. Hinzu kommen Gemüse, Milch und Milchprodukte, Käse sowie Brot, das aus farmeigenem Getreide gebacken wird. Die vielfältige und von Marktzwängen unabhängige Wirtschaftsweise wurde auf der Tablehurst Farm erst durch ein Konzept möglich, das der solidarischen Landwirtschaft ähnelt, mit dem Unterschied, dass es keine Mitglieder und keine regelmäßigen Mitgliedsbeiträge gibt. [ Abb. 35 ]
Clemens G. Arvay : Wie hat es die Tablehurst Farm in die wirtschaftliche Unabhängigkeit geschafft?
Peter Brown : Als ich vor 18 Jahren als landwirtschaftlicher Leiter hierher kam, gab es überhaupt kein Budget, um die Farm weiterzuentwickeln. Der Betrieb war in den roten Zahlen. Wir wollten das ändern und vom Handel unabhängig werden, also in die Direktvermarktung investieren. Außerdem wollten wir hier neben den regulären Arbeitskräften auch Menschen mit besonderen Bedürfnissen beschäftigen und ihnen eine angemessene Arbeitswelt bieten, wofür es wiederum staatliche Fördergelder gibt. Inzwischen sind unsere Pläne Realität geworden, aber vor 18 Jahren stellte sich die Frage: Wie sollen wir das alles ohne finanzielle Mittel umsetzen?
Wir suchten zuerst Kontakte zu den Menschen aus der Region: zu Anrainern, zu Konsumentinnen und Konsumenten rund um unsere Farm. Wir wollten unsere Idee salonfähig machen und hofften auf Partnerschaften mit den Verbrauchern. Wir stießen tatsächlich auf großes Interesse und zahlreiche Menschen meldeten sich bei uns, um eine Unterstützergemeinschaft zu gründen. Im TV und im Radio wurde über uns berichtet und schließlich hatten wir 600 Menschen zusammengetrommelt, von denen jeder circa 100 Pfund spendete (120 Euro), manche auch mehr. Es handelte sich um einen einmaligen Beitrag, um die Entwicklung der Farm zu unterstützen. Wir sehen diese Menschen weniger als Shareholder, sondern vielmehr als solidarische Farmpartner, die bis heute in Form einer Kooperative die Basis unseres Betriebs darstellen. Manche dieser Menschen sind in unserer Management-Gruppe, andere halten
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