Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser
hatte ich es geschafft. Ich hob den Kofferdeckel. Ein lautes Sirren schlug mir entgegen. Es war beängstigend. Es kam aus einem Reisenecessaire aus Schlangenleder, das ich öffnete. Es war eine elektrische Zahnbürste, die sich angestellt hatte. Ich war erleichtert und mokierte mich über meine Ängstlichkeit. Fritz, was ist los? Du bist doch sonst nicht so. Dann nahm ich mir den Inhalt des Koffers vor. Der war zwar edel, aber eher karg. Zuoberst lag ein leichter Sommeranzug. Ich probierte die Jacke an. Saß wie angegossen! Ich ließ sie gleich an. Es gab noch ein Hemd, zwei Paar feinste Slipper, Unterwäsche und Strümpfe. Das wars. Der Besitzer benutzte ›Eau Sauvage Extrême‹ als Aftershave wie ich. Ich hatte keines mehr und nahm mir ein paar Spritzer. Neben weiteren Parfums, Püderchen und Flacons fand ich zwei Briefchen Kokain. Wie kommt dieser ausgesprochen provokante Koffer zu der Rothaarigen? Aus purem Versehen? So einen Koffer bekommt niemand versehentlich. Da musste etwas vorgefallen sein. Aber was? Jetzt war der Koffer leer, aber immer noch nicht wirklich leichter. Das merkte ich, als ich ihn vom Tisch stellen wollte. Ich überlegte. Ich klopfte den Kofferboden ab. Er klang hohl. Ich schaute und entdeckte die Druckknöpfe, die, vom Tarnboden völlig abgedeckt, den gesamten Koffer umliefen und in zwei Schlaufen mündeten. Ich zog an den Schlaufen, die Druckknöpfe sprangen auf und ich konnte den Tarnboden des Koffers abnehmen. Nicht übel! Die Rothaarige hatte echt was zu bieten! Stählern, schwarz und sehr gefährlich sah das aus. Es fehlte nur noch eine Sonnenbrille, hinter der mich stahlharte Augen belauerten, und ein schmaler Mund, der: › Das ist dein Ende ‹ zischte und dann abdrückte. Ratatatata. Ich blickte auf eine akkurat angeordnete Waffensammlung. Zwei Pistolen, einen Revolver, eine kleine Maschinenpistole, ein großes, auseinander genommenes Gewehr und ein Zielfernrohr. Zwei ovale, gezackte, straußeneigroße Kugeln mit jeweils einem Stahlring identifizierte ich als Handgranaten. Zwei lange Messer komplettierten die Sammlung. Und natürlich Munition. Ich hatte keine Ahnung von Waffen und sah mir das alles bloß an. Die Fragen wurden drängender. Wohinein war ich wieder geraten? Wieso habe ich wieder keinen kühlen Kopf bewahrt, ihn stattdessen verloren, um romantischen Träumen nachzuhängen? »Verehrteste«, hätte ich ja sagen können, »das ist Ihr Koffer, für den ich keine Verwendung habe. Ich trage ihn gerne bis zum Bahnhof Charlottenburg da vorne.« Mit Schmetterlingen im Magen wuchtete ich das Monstrum stattdessen die Treppe hoch. Jetzt hatte ich den Salat. »Sie müssen unbedingt die Polizei aus dem Spiel lassen«, hatte die Rothaarige gesagt. Es war höchste Zeit, die Polizei einzuschalten.
»Hallo, ich bin es noch mal. Es war keine Bombe. Es war die Zahnbürste.«
»Wollen Sie uns auf den Arm nehmen? Das kann teuer werden.«
»In dem Koffer sind Waffen, Kokain und Messer.«
»Woher haben Sie das?«
»Keine Ahnung. Ist mir heute Morgen im ›Dollinger‹ rothaarig zugelaufen. Krebse krabbelten unter dem Tisch. Es roch nach Meer und ich verliebte mich.«
»Nehmen Sie alles mit, was Sie brauchen. Wir kommen Sie gleich holen.« Wie sollte ich der Polizei diese Begegnung mit einer rothaarigen Frau und ihrem Koffer plausibel machen? Ich entdeckte das Couvert, das hinter den schwarzen Schaft des Gewehrs geklemmt war. Ich öffnete es. In ihm steckte ein dickes Geldbündel. Ich zählte es. Es waren 30.000 Euro. Ich wog das Geldbündel in der Hand. Es war ziemlich genau die Menge Geld, die mich eine Weile über Wasser halten könnte. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich mit der Rothaarigen in ein lukratives Geschäft kommen würde. Eher das Gegenteil war der Fall. Trübe Aussichten. Da konnte der Atlantik in ihren Augen wiegen, wie er wollte. Ich hatte keine Skrupel und steckte ein paar Scheine in meine Hosentasche, den Rest legte ich in das Geheimfach meines Berliner Biedermeiersekretärs aus hell poliertem Birkenholz, den ich günstig erworben hatte. Dann entdeckte ich das Handy. Zwischen den Handgranaten in einer Vertiefung. Ich fischte es heraus und probierte damit herum. Es war so ein Superhandy, mit allen Schikanen. Ich hatte keine Ahnung, wie man damit umging. Der Speicher war völlig leer. Keine Nummer, nichts. Erst im Menü unter Galerie fand ich unter den Fotos ein Bild. Es war die Rothaarige. Ich ging auf Senden und drückte die grüne Taste. Es war ein Schuss ins
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