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Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser

Titel: Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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Ich zuckte mit den Schultern.
    »Die kommt wieder«, tröstete er mich und trug den Korb mit den Krebsen ins Lokal.
    »Woher willst du das wissen?«, rief ich hinterher.
    »Das sieht man ihr an«, rief er zurück und lachte.

3
    Der Koffer war wirklich lausig schwer. Ich schleppte ihn samt dem geheimnisvollen Aktenkoffer die Leonhardtstraße runter bis zur Weinhandlung Claus Bruderhertz. Meine Wohnung war im gleichen Haus. Die Weinhandlung war noch geschlossen. Claus öffnete immer erst mittags um zwei. Manchmal aber auch schon morgens, wenn Lieferungen kamen. Heute kamen keine Lieferungen. Claus hatte einen gescheiten Kopf voller Wein- und Menschenkenntnis, und ich hätte das eben Erlebte mit ihm bei einem Fläschchen Pauillac oder Fronsac besprechen können. Claus ist ein profunder Weinkenner, von dem man nur lernen kann. Ich lerne und lernte gerne von ihm und das immer öfter. Auch das bereitete mir Sorgen. Ich war knapp bei Kasse, und unter 20 Euro die Flasche machte es keinen Spaß, Wein zu trinken.
    Im Übrigen wusste ich, was Claus gesagt hätte. »Fritz«, hätte er gesagt und dabei den rubinroten Wein im Glas in kreisförmige Schwingungen versetzt, »es ist doch immer dasselbe mit dir. Du willst keine Frau. Du willst Probleme. Bei einer Frau ohne Probleme, die dir versehentlich in die Arme rennt, rutscht dir das Herz in die Hose.«
    Ich schleppte den Koffer die Treppe hoch in den 2. Stock. Den Briefkasten ließ ich links liegen. Das Finanzamt plante ein Attentat.
    Ich wuchtete den Koffer auf den großen Tisch im Esszimmer. Er hatte Schlösser, die jede Stalltür verrammelt hätten. Ich holte einen Schraubenzieher. Bevor ich den Koffer aufbrach, goss ich mir einen Cognac ein, der auf der Anrichte stand, einer wunderschönen spätgotischen Bauerntruhe, setzte mich auf einen Stuhl und sah mir dieses schweinslederne Monstrum vor mir an. Ich roch am Cognac, einem 40 Jahre alten Hennessy, das Aroma belebte mich, und ich benetzte die Zungenspitze. Das Aroma breitete sich aus. Dann erst trank ich ein Schlückchen, das ich über dem Gaumen zerströmen ließ. Ich war gespannt, was sich in diesem Koffer, diesem Hündchen, das seiner neuen, treulosen Herrin zugelaufen war, befand. Ich glaubte der Rothaarigen kein Wort. Ich stand auf und inspizierte den Koffer von außen. Neu war er nicht. Er hatte Schrammen und tiefbraune Placken, wie von geronnenem Blut, an einer Stelle war er genäht. Es war ein glatter Schnitt, als hätte jemand ein scharfes Messer durch das feste Leder gezogen. Ich stellte den Koffer auf die Rückseite. In den Kofferboden war außen, im oberen Eck, dicht unter der dreifach gesteppten Naht – die Kanten waren mit einem Ledersaum verstärkt –, ein kleines, ovales Zeichen mit Buchstaben ins Leder gestanzt. Ich konnte es nicht lesen und holte eine Lupe. Man konnte ein F.P. und Firenze erkennen. Vielleicht wurde der Koffer in Florenz hergestellt und F.P. war möglicherweise der Firmennamen. Jetzt hörte ich es ganz deutlich. Schon auf dem Weg hierher hörte ich es. Ein helles Sirren. Ganz weit weg. Als sirrten schlecht isolierte Elektrodrähte unter Verputz. Von der Straße wanderte das Sirren mit mir die Treppe hoch. Ich nahm es mehr unbewusst wahr. Irgendein Geräusch unter vielen. Jetzt aber war dieses Geräusch deutlich zu hören. Ich lief durch die Wohnung, um es zu orten. Es war überall. Am stärksten war es in der Nähe des Koffers. Es war im Koffer. Ich hielt das Ohr an das Leder. Jetzt war dieses Sirren deutlich zu hören. Es war das Geräusch einer Nähmaschine. Mir wurde etwas mulmig. Was war in dem Koffer? Wer war diese Frau? Wieso suchte die mich morgens um neun Uhr im ›Dollinger‹ auf, help me, I need you, setzte mich in helle Aufregung wie einen Pennäler beim ersten Rendezvous, engagierte mich mit einer Bestimmtheit, als wäre ich ihr Lakai, ging und brach mir das Herz? Es sirrte immer noch. Ich ging in den Flur. Der schien mir einigermaßen sicher. Ich ging ins Arbeitszimmer. Da war es noch sicherer. Auch hier hörte ich das Sirren, wenn auch gedämpfter. Ich könnte die Polizei anrufen.
    »Hallo, hier ist eine Bombe im Koffer. Es sirrt.«
    »Bomben sirren nicht«, würde die Polizei sagen.
    »Bomben ticken. Tickt es?«
    »Nein, es sirrt.«
    »Dann ist es keine Bombe.« Das leuchtete mir ein. Ich ging zurück ins Esszimmer und brach kurz entschlossen mit dem Schraubenzieher die Schlösser des Koffers auf. Es kostete einige Mühe. Es waren Schlösser aus massivem Stahl. Endlich

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