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Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser

Titel: Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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Leder bezogenen Barhocker war dann leer und man konnte bei einem Martini Dry oder einem kühlen Sancerre vor sich hinträumen. Früher war ich öfter hier.
    Von der Bar aus konnte man die Rezeption sehen. Ich setzte mich auf einen Barhocker und bestellte einen Espresso bei dem Kellner, der geräuschlos wie aus dem Nichts auftauchte. Möglich, dass mich hier jemand kannte. Ich konnte niemanden entdecken, der mir bekannt vorkam. »Suchen Sie jemanden?«, fragte der Kellner. »Nein, nein«, sagte ich. Ich musste beim Gucken den Hals zu sehr verrenkt haben. Ich wunderte mich schon immer in Detektivfilmen, wie die Detektive immer alles mitbekamen und nichts aus den Augen verloren, obwohl sie immer in die andere Richtung schauten. Jeder halbwegs vernünftige Mensch würde ohnehin nicht hier sitzen. Ich saß aber hier. Angespannt. Ich spürte, wie die Puzzlesucht noch um die Ecken schlich, noch zauderte, aber längst entschieden hatte, mich heimzusuchen. Ich dachte angestrengt nach. Nur ein Killer rennt mit solch einem Koffer durch die Gegend. Sollte er etwa die Rothaarige erledigen? Oder wie gelangte sie in die Fotogalerie seines Handys? Und wie kam die an den Koffer ihres Killers, angenommen, er sollte ihr Killer sein? Ich war in einer gewissen Weise an des Killers Stelle. Ich hatte sein Handy bedient. Das wurde mir schlagartig klar. Ich war Mitwisser in dieser Affäre, von der ich nichts wusste. Zumindest musste der stumme Teilnehmer mich für einen Mitwisser halten. Ich hatte bis jetzt noch nicht darüber nachgedacht. Aber wo ist der Killer, mit dem der stumme Teilnehmer am Handy offensichtlich nicht kommunizieren wollte, weil ich am anderen Ende hing? War dem Killer etwa sein Auftrag durch die Lappen gegangen, weil die Rothaarige noch lebte und plötzlich war ich an seiner Stelle? Das gefiel dem stummen Teilnehmer bestimmt nicht. Sonst hätte er ja was sagen können. Was machte der gerade? Lebte er überhaupt noch? Hatte ihn die Rothaarige vielleicht beiseitegeschafft, um mir den Koffer aufzuhalsen? Aber warum? Da war etwas volle Kanne schief gelaufen. Oder kaltes Kalkül. Vielleicht sollte ich besser meinen Espresso bezahlen und ganz still davonschleichen. Ich zahlte den Espresso und ging an die Rezeption. Da war niemand, den ich jemals gesehen hätte und der mich wieder erkennen könnte. Das war mir jetzt auch egal. Ich wollte Klarheit.
    »Sie wünschen, mein Herr?«, fragte die kleine Maus in blauer Uniform. »Ich will zu Herrn Nardini. Wir sind verabredet«, sagte ich mit starkem italienischem Akzent. Als Italiener fühlte ich mich glaubwürdiger. Die kleine Maus wählte Nardinis Zimmertelefon an. Möglicherweise schmollte der aber, weil er nicht mehr im Rennen war, dachte ich weiter. Ich war mir auch nicht sicher, wie lange dieses Schmollen anhalten würde und wann er zur Tat schreiten würde, womit er eigentlich nur mich meinen konnte. Die Auftraggeber des Killers waren mir mit Sicherheit auch nicht wohlgesinnt und würden bestimmt bald wissen wollen, wo ich steckte. Die würden nicht lange mit mir fackeln. Das waren keine günstigen Aussichten und ich musste mir etwas einfallen lassen. Ich war in einer ausgesprochen peinlichen Situation. Mit tödlicher Sicherheit würden der Killer und seine Hintermänner irgendwann bei mir auftauchen. Das hing von der Rothaarigen ab. Die hatte mich am Wickel. Ich Esel. Die wusste genau Bescheid über mich. Die brauchte nur einen Wink zu geben. »Den Fritz könnt ihr da und da schnappen. Am besten am Stutti im ›Dollinger‹. Der schlürft da Austern. Der Mann taugt sowieso nichts. Schade ist es nicht um den«, könnte sie sagen. Aber warum sollte sie? Ich hatte plötzlich ein ungutes Gefühl. Als hätte ich die Witterung von Aas in der Nase. Ich hatte die Vorstellung, dass die Rothaarige mich wie einen stinkenden Ziegenbock bei der Tigerjagd als Köder benutzte und mir eine Menge Leute auf den Hals hetzte. Sie selber schaute dabei zu, was passierte. Sie wusste mit Sicherheit, dass ich den Priester kannte. Und von meiner Mutter wusste sie bestimmt auch. Sie spielte ihre Karten ganz gezielt und kalkuliert aus. Noch konnte ich ihr nicht in die Karten schauen. Sie benutzte mich in einem Spiel, dessen Teile ich noch nicht zusammenfügen konnte. Aber das Puzzlespiel hatte begonnen. Es hatte mich gepackt. Ich war zu allem entschlossen. Die Rothaarige sollte sich noch wundern. Und wer sonst noch alles mitspielte in dem Spiel.
    Die kleine Maus gab auf.
    »Ich glaube, Herr Nardini

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