Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser

Titel: Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
Vom Netzwerk:
mich mit Mottenkugeln und ich erfand unter Mitwirkung der Stars Mutti und Priester das Schlüssellochstummfilmkino mit dem Hauptfilm Priesterweihe. Vom Prinzip her war das unmöglich. Dem Prinzip nach hätte dieser Film in einem Schrank nie gedreht werden können.

    Martha Klein vom Polizeiärztlichen Dienst eröffnete mir ganz andere Schränke. Schränke der Vernichtung. Voller Knochen, Skelette und Toter. Der Pelzschrank meiner Mutter war gegen diese Schränke ein Ort des Rausches und der Lüste.
    »Fritz«, hatte ja diese ledrige Buschtrommelpsychologin in jener Nacht im ›Lentz‹ zu mir gesagt, »du bist schwer traumatisiert durch die Erlebnisse mit deiner Mutter. Dieser Missbrauch! Es stimmt doch, was du mir erzählt hast? Das machen gewöhnlich nur Männer. Du musst unbedingt in eine Therapie!« Ich fühlte mich nie schwer traumatisiert. Eher manchmal unbehaglich. Dieser harte Knabenschwanz in der Hand meiner sanft rubbelnden Mutter in der Badewanne war ja nicht nur lustlos. Im Gegenteil. Seifenschaum verbarg das sanfte Rauf und Runter ihrer Hand zwischen meinen Beinen schamhaft, sehen durfte man meine Geilheit nicht, nur spüren, das war das Befremdliche. Es durfte nicht gesehen werden, was mich so heftig erregte, es war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, auch nicht für Mutter und Sohn, es spielte sich nicht vor ihrer beider Augen ab, dieses stakkatohafte Rubbeln, sondern unter einem Teppich aus Schaum. Dass es nur nicht den Schaumteppich durchdränge, sich vor unseren Augen mit aller Härte in die Luft stellte! Was aber nie geschah. Gott sei Dank! Mutter und Sohn konnten daher mit Fug und Recht sagen, dass sie nichts Auffälliges gesehen hätten, zumal ich das in mir aufkommende erregte Stöhnen mit allen Kräften unterdrückte. Ich glaubte zu platzen. Also lustlos spürte sich das wahrhaftig nicht an, nur durfte es nicht mein hartes Ding sein, am wenigsten dann, wenn der Kopf meiner Mutter in den Seifenschaum tauchte und ihre Lippen es saugend und nuckelnd und leckend umfassten. Ich fürchtete, sie würde ertrinken.
    Fürchtete ich es tatsächlich, hoffte ich es nicht eher? Was, wenn der Kopf nie mehr auftauchte aus dem Seifenschaum? Ich selbst tat keinen Mucks, um sie zu retten.
    Luftblasen stiegen blubbernd hoch, bis mein Unterleib sich aufbäumte, ich schrie aus tiefstem Innern, als stülpte sich mein Inwendiges nach außen, bis sie wieder auftauchte. Der Schrei brach sofort ab. Da war kein Schrei. Da war mein Blick an die Badezimmerdecke. Da war das Keuchen meiner Mutter. Das hatte mein falsches, verlogenes Ich geschrien, das nicht wirklich existierte. Ich existierte, mit Blick an die Badezimmerdecke, der mich ganz weit wegführen sollte. Trotz des heißen Badewassers vereiste meine Seele; doch, das war so. Sie vereiste, sie knirschte bei der geringsten Regung wie gefrorener Schnee unter den Stiefeln. Ihr durchdringender Röntgenblick ruhte merkwürdig madonnenhaft auf mir.
    »Sohn«, sagte der Blick, »ich weiß, du magst das.« Das machte mich entsetzlich verlegen. Ich mochte es nicht. Wie diese Gedanken verbannen? Mein Seele war rein, und so soll es immer sein, dachte ich, inbrünstig hoffend, dass keine Gedanken in meiner Seele waren, die das alles nicht mochten, die den mütterlichen, liebenden Röntgenblick erzürnen könnten und mir ihre Mutterliebe raubten. Ich wollte mit aller Verbissenheit brav sein. Einmal verweigerte ich den Bademeisterdienst. Einen ganzen Monat lang existierte ich nicht für sie. Ich half mir aus der Verlegenheit, indem ich diesen Schwanz als Quelle ihrer keuchenden Atemlosigkeit ignorierte. Er gehörte ganz einfach nicht zu mir. Er gehörte alleine ihr. Ich amputierte ihn wie einen siamesischen Zwilling. Jetzt war er frei und völlig autonom. Ihm war es später völlig egal, welche Frau er wahllos beglückte, von Bett zu Bett vagabundierend, was hatte das alles mit mir zu tun? Ich verspürte Lust, die nichts mit mir zu tun hatte. Nur mit ihm. Aber fühlte ich mich deswegen traumatisiert? Der Vagabund zwischen meinen Beinen war immer rege und begehrt, ein wahrer Luftikus in allen Betten, unser Verhältnis blieb immer unpersönlich. Sagen wir, ich war mein eigener Voyeur bei seinen Turnveranstaltungen. Ich glaubte fast, es wäre mir lästig, täglich mit diesem Unersättlichen gemeinsam auf die Pirsch zu gehen. Ich war dabei und hatte trotzdem meine Ruhe. Nur manchmal fragte eine Frau, ob ich tatsächlich sie meinte und nicht eine andere. Hätte ich sagen sollen,

Weitere Kostenlose Bücher