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Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser

Titel: Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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weiß nicht, was er damit meinte. Aber es war kein Scherz. Möglich, dass der Priester mehr weiß.«
    Frau Valéry schaute mich an.
    »Sie heißen Neuhaus?«
    Ich bejahte.
    »Der Name kommt mir bekannt vor. Ich glaube, Nemec erwähnte ihn mal. Es ist schon länger her. Aber ich kann mich auch irren.«
    Ich wich ihr mit einer Frage aus.
    »Hatte der Priester etwas mit den Flüchtlingen zu tun?«
    Sie überlegte.
    »Der Priester gewährte in bestimmten Fällen Flüchtlingen aus dem Lager Kirchenasyl. Er heißt übrigens Valerio Donati.«
    Valerio Donati. In meinem Stummfilm trat er namenlos auf. Er war einfach nur Priester. Was war wohl Gegenstand seiner Therapie bei Nemec? Dass er meine Mutter vor dem Schrank, in dem ich saß, im Stehen fickte? Ich überlegte, ob Valerio Donati im Beichtstuhl auch anderen Frauen die Gunst seiner Fleischeslust gewährte. Ich war plötzlich wie besessen von dieser Idee. Wie er wohl die Damen in den Beichtstuhl zog? Bestieg er sie von vorne oder von hinten? Wahrscheinlich saßen sie rücklings auf ihm. Mehr gab ein enger Beichtstuhl nicht her. Auf den Knien zwischen seinen Knien konnten sie ihm im Beichtstuhl einen blasen. Oder ihm tätig die Hand von außen, in demütiger Haltung, hinter den Vorhang unter den Talar reichen. Ihm stoßweise durch das Fensterchen des Beichtstuhls ihre Geilheit ins Ohr flüstern. Oh Maria. Du Gebenedeite. Du hast gesündigt, du hast gesündigt, flüsterte er, zehn Vaterunser . Vater unser, der du bist, flüsterte sie zehnmal, vergib uns unsere Schuld, und die Hand ermattete. Wie wir vergeben unsern Schuldigern. Bestimmt hatte auch meine Mutter geflüstert. Fritz, dachte ich, jetzt mach mal halblang. Aber diese Vorstellung ließ mich nicht los. Sie peinigte mich. Was wäre, wenn? Was erfuhr der Priester über die Männer dieser Frauen, die vor seiner Lust zu Kreuze krochen? Was machte er mit dem Wissen über deren kleine und große Sauereien, all die unerlaubten Mauscheleien abgestandener Ehemänner, die die Frauen ihm eifrig willfährig offenbarten? Diese Engel der Rache an ihren impotenten Männern, die dafür vor Geschäftssinn strotzten? Das waren nicht nur Saubermänner, an deren Frauen der Priester stellvertretend Lust verrichtete. Unter ihnen bestimmt auch Ferkelchen. Ein Ringelschwänzchen wäscht das andere. Ebers Rüssel geht auch in Nachbars Garten die Trüffel stechen. Interessant, dachte ich, interessant, aber Fritz, du hast trotzdem eine Meise.
    »Hatte der Priester sexuelle Probleme?«
    Beide Frauen sahen mich erstaunt an.
    »Wie kommen Sie denn auf die Idee?«, fragte Frau Valéry.
    »Priester haben oft sexuelle Probleme.«
    Ich bereute die Frage bereits und hätte sie lieber nicht gestellt. Sie hatte mit der augenblicklichen Situation nichts zu tun. Sie hatte nur mit mir zu tun. Mit meinen Fantasien über lüsterne Ehefrauen, die frustriert Beichtstühle stürmten.
    »Können Sie sich die Beschlagnahmung Ihrer Unterlagen hier erklären?«
    »Nemec muss etwas entdeckt haben, das ihn das Leben kostete. Möglicherweise erzählte Nemec mir nichts, um mich zu schützen. Der Gedanke kommt mir gerade. Eine vage Idee.«
    Ich glaubte längst nicht mehr an einen Unfall.
    »Was liegt näher, Sie als Praxismitinhaberin auch in die Mangel zu nehmen?«
    Frau Valéry zuckte mit den Schultern.
    »Habe ich auch schon dran gedacht.«
    Warum transportierte der BND rechtswidrig aus der Praxis sämtliche Unterlagen ab? Täter verwischten ihre Spuren.
    Meine Auftraggeber hatten ihren Laden nicht mehr im Griff. Sie begannen, kopflos zu agieren. Kurz vor dem Bankrott.
    »Wir können uns auf einiges gefasst machen.«
    Nemec musste in ein großes Wespennest gestochen haben. Die Wespen schwirrten aus. Aus welchem Nest kamen sie? Ich hatte nicht die Absicht, gestochen zu werden.
    »Ich geh mich mal ein bisschen umgucken.«
    Ich wollte allein sein. Ich schlenderte über den belebten Markt zur Polizeiwache.
    »Hallo.«
    Der Dickliche hackte immer noch auf seiner altersschwachen Schreibmaschine herum.
    »Moment.«
    Er erhob sich. Die Prozedur kannte ich.
    »Moment.«
    Ich war nicht zu laut, aber laut genug. Er setzte sich wieder und schaute mich an.
    »Ich will eine Anzeige machen.«
    Er guckte mich verblüfft an. Als machte man bei ihm keine Anzeigen. Überall Anzeigen, bitteschön, aber hier auf der Wache nicht. Garantiert anzeigenfreies Gelände.
    »Verstehen Sie mich nicht? Anzeige!«
    »Ja doch.«
    Er zog die nämliche Schublade auf.
    »Gegen wen?«
    »Gegen

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