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Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser

Titel: Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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Genickbrechen. Das machte niemand aus der hohlen Hand. Jeder Chiropraktiker konnte das bestätigen. Das präzise Brechen eines Genicks setzt eine gewisse Kenntnis der Halswirbelanatomie und die entsprechende Technik der Verdrehung der Halswirbel voraus. Der Mörder wollte einen Toten und keinen redseligen Querschnittsgelähmten am Tatort zurücklassen.
    Eine Kirchturmuhr schlug zwei. Der Markt war jetzt sehr belebt. Er ging seinem Ende zu. Die Händler wollten ihre Ware loswerden. Laut priesen sie Gemüse und Obst zum halben Preis an. Die Cafés, die den Markt säumten, waren einladend und voll. Ich hatte Hunger und ich wollte eine Zeitung lesen. Ich wollte kein Gespräch mit Barbara oder mit Frau Valéry. Ich wollte mich der Idylle einer heilen Marktwelt hingeben. Ich fand einen Platz. Eine niedliche Bedienung war prompt zur Stelle.
    »Schönen guten Tag. Was darf ich Ihnen bringen?«, zwitscherte sie.
    So gefiel mir das. Ich bestellte einen Milchkaffee und einen frisch gepressten Orangensaft. Bestimmt keine Warterei wie so häufig in den Läden in Berlin. Dieser miese Nörgelton einer unprofessionellen, gelangweilten Bedienung, oft eine Schauspielerin ohne Engagement, magersüchtig, die nach endloser Warterei endlich kam und Bedienen als Zumutung empfand.
    »Muss man hier immer so lange für einen Espresso warten?«, moserte ich.
    »Sind Sie etwa alleene hier?«, konterte sie gereizt.
    Die Kneipe war gähnend leer.
    Ein besonders im Osten Berlins beliebter Serviceton. Ich bestellte dann mehrere Cappuccinos, oder heißt es Capucchini, gleichzeitig.
    »Es kommen noch Freunde.«
    Bei besonders mürrischer Unterlippe bestellte ich auch mal fünf Espressi und fünf Cognacs. Wenn nach weiterer Warterei das volle Tablett endlich herbeischwebte, wobei die Tassen vom überschwappenden Inhalt an den Rändern und auf der Untertasse bereits völlig versifft waren, so bräunlich krustig angetrocknet – wahrscheinlich waren die Espressi auch schon längst kalt vom Rumstehen – stand ich auf und ging. Manchmal rempelte ich noch das Tablett an, dass es ordentlich aus den Tassen schwappte. Da hatte die Tante mit dem Tablett zu tun, um sich nicht die Klamotten zu versauen. Sie hielt das tropfende Tablett weit von sich. Jetzt verging ihr das lose Mundwerk. Der aufreizende Schnodderton blieb im kalten Kaffee auf der Strecke. Das war mir eine Labsal und verschaffte Genugtuung.
    Die niedliche Bedienung servierte einen köstlichen Milchkaffee und den gepressten Orangensaft. Das verlangte nach einem Käsekuchen.
    »Haben Sie Käsekuchen?«
    »Müssen Sie an der Theke bestellen.«
    Das machte ich doch gerne. Ich ging in das Café und bestellte am Tresen ein Stück Käsekuchen mindestens von der doppelten Größe, wie sie in Berlin üblich waren. Große Schnauze hinterm Kuchentresen, aber nichts zum Reinschieben. Besonders im › Café Becker ‹ in der Sybelstraße. Zwergenstücke. Ich angelte mir noch die Saarbrücker Zeitung vom Zeitungsständer und ging befriedigt an meinen Platz zurück. Sogleich kam der Kuchen. Ein Streuer mit Zimt war dazugestellt. Ein Silberschüsselchen mit geschlagener Sahne, die zwiebeltürmchenartig in sich verdrillert war.
    »Genau, was ich mir wünschte«, gestand ich der Bedienung, die mich fein allerliebst anlächelte. Den Orangensaft trank ich mit großen Zügen auf einen Schlag. Herrlich. Den Käsekuchen bestrich ich mit der Sahne, bestreute die Pracht mit Zimt und spießte das erste Stück mit der Gabel auf. Es zerging auf der Zunge. Locker cremig und doch fest und vor allen Dingen nicht zu süß. Eine Hummel umschwirrte meinen Tisch. Sie hatte sich her verirrt von einem Blumenstand gegenüber, wo viele Hummeln schwirrten. Und Schmetterlinge gaukelten von einem Löwenmäulchen zum anderen. Und Sonnenblumen ragten aus den Eimern. Und Astern. Und Rosen und Nelken. Blauer Rittersporn wetteiferte mit dem dräuenden Blau von Korn- und Glockenblumen. Lilien standen neben Dahlien. Die Blumenverkäuferin war drall und hatte ein weißes Kopftuch umgebunden. Überall summten geschäftig Hummeln. Eine wunderbare Idylle, ergänzt von diesem wunderbaren, fast zitronengelben Käsekuchen mit Zimt bestreut und voller Sahnewolken.
    Dann geschahen Veränderungen. Das weiße Kopftuch der Blumenverkäuferin zerstäubte mehlig zur Wolke. Die Hummeln blieben mit den Flügeln schwirrend in ihr stehen. Die Schmetterlinge kamen gaukelnd nicht von der Stelle. Ich schüttelte ein paar Mal ruckartig den Kopf, um die Hummeln wieder

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