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Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser

Titel: Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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wirklich froh sein.«
    Fast genierte ich mich, dass ich mit keinem anderen Schrank aufwarten konnte. Für mich war es Schrank genug. Er saß jetzt völlig entspannt vor mir und schaute mich ruhig an. Keine Spur von einem Laufband, das ihm durch das Hirn zischte und ihn fast wie einen Debilen sprechen ließ.
    »Ich weiß immer noch nicht, warum du hier in Schlabbach bist und mir Fragen stellst? Woher eigentlich kennst du Nemec?«
    Was sollte ich ihm erzählen? Er hatte mich mit seinen vielen verschlüsselten Andeutungen neugierig gemacht. Was war auf dem einen Laufband zu sehen? Fürchtete er sich vor Mlasec? Und wieso hielten sich der Priester, Valerio Donati und Mlasec gegenseitig gefangen?
    Dass der Priester dessen Beichtvater war, war pikant. Es gab das Beichtgeheimnis. Der Priester konnte alles wissen und durfte nichts sagen. War das die gegenseitige Gefangenschaft? Nach Aussage von Thomas Bosic war Valerio Donati der Lebensgefährte des ermordeten Nemec.
    Ich hatte das Bild im Bunker vor Augen, als Mlasec den Kopf des Mädchens brutal nach hinten zog und ihm den Hals zu brechen drohte. Möglicherweise hatte er auch den Hals von Nemec gebrochen. Eigentlich war ich mir sicher. Beweise allerdings gab es nicht. Der Mann sah so brutal aus.
    Ich fantasierte, dass Mlasec dem Priester im Beichtstuhl den Mord an seinem Freund gebeichtet hatte. Vielleicht hatte er ihm zur umfassenden Erlangung von Vergebung und Seelenerleichterung den Tathergang ausführlich und in allen Einzelheiten aufrichtig geschildert. So mancher Killer hatte eine empfindsame Seele, die er entlasten wollte. Ein Metzger wäscht sich nach der Schlachtung das Blut von den Händen, legt die blutige Schürze ab, reinigt das Schlachtwerkzeug unter dem Wasserhahn. Vielleicht hatte er, auf dem Höhepunkt der Tatschilderung, mit den Knöcheln seiner Pranke an den hölzernen Beichtstuhl geklopft, um das Knacken der Halswirbel beim Brechen akustisch zu veranschaulichen. Lautmalerei in verschärfter Form. Mlasec wäre nicht der erste Menschenschinder, der sein gepeinigtes Herz im Beichtstuhl erleichterte und ein rührender Familienvater war. Wie viele Vaterunser hatte der Priester zur Buße dem Mörder seines Freundes aufgetragen?
    Wie ertrug der Priester es, der Beichtvater des Mörders seines Lebensgefährten zu sein? Es interessierte mich mit brennendem Herzen. So, wie das Herz des Priesters möglicherweise längst abgebrannt war.
    Wieso hatte ich diese Fantasien? Woher kam dieses Interesse?
    »Ich bin hier, weil Nemec ermordet wurde. Ich suche den Mörder. Ich suche Martha Klein.«
    Der Name Martha Klein wirkte auf ihn wie eine Initialzündung. Er sprang von seinem Stuhl auf. Er war ein hochgewachsener Mensch, der bestimmt über viel Kraft verfügte. Er beugte sich bedrohlich vor. Sein Gesicht berührte fast meines. Ich spürte seinen Atem.
    »Martha Klein?«
    Ich schob meinen Stuhl zurück und stand ebenfalls auf. Er war außer sich. Sein Gesicht zuckte. Seine Hände umkrampften die Tischkante. Sein Atem ging stoßweise. Er war käseweiß im Gesicht. Ich war auf alles gefasst.
    »Kennst du sie?«
    Er krachte zurück auf seinen Stuhl wie ein gefällter Baum.
    Er atmete schwer. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. So saß er eine Weile. Ich hatte mich auch wieder gesetzt und schaute hinaus. Es war ihm unangenehm, als ich ihn anschaute und ansetzte, eine Frage zu formulieren. Die Nennung des Namens von Martha Klein hatte ihn tief aufgewühlt. Ich ließ ihm etwas Zeit, sich zu fangen.
    »Hilf mir«, sagte er.
    »Wobei?«
    »Sie zu kriegen. Sie ist böse.«
    Ich stand auf und räumte das Geschirr vom Tisch. Ich spülte die Tassen aus und machte frischen Kaffee. Ich machte es, um irgendetwas zu machen. Ich goss ihm eine Tasse Kaffee ein.
    Draußen hörte ich Geräusche. Ich ging aus der Küche ins Wohnzimmer. Es war Corinne Valéry auf dem Weg ins Badezimmer.
    »Schon auf?«
    »Schon lange. Thomas Bosic ist hier.«
    »Ah?«
    »Du kennst ihn?«
    »Natürlich. Er und seine Schwester waren bei Nemec.«
    »Was meint er mit den Laufbändern?«
    »Hat er dir davon erzählt? Dann geht es ihm nicht gut. Wo ist er?«
    »In der Küche.«
    »Ich komme gleich.«
    Ich ging zurück in die Küche. Sie war leer. Ich schaute im Therapieraum nach. Da war er auch nicht. Thomas Bosic war gegangen.
    Auf der Couch hatte er ein paar beschriebene Seiten zurückgelassen. Ich steckte sie ein.
    Corinne kam. Sie hatte geduscht. Die Haare waren noch feucht. Sie hatte Jeans an und eine

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