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Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser

Titel: Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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Nemec war, wollte er wissen. Was zum Teufel sollte ich da antworten? Und vor allem, wem? Ich angelte die Hose herbei und zog sie an. Zumindest war die Erscheinung im Sessel der Stimme nach ein Mann.
    »Er ist tot. Du weißt das doch.«
    Natürlich wusste ich es und ich hätte es sagen können. Morgens um halb sechs nach dem ersten Hahnenschrei beantwortete man eine klare Frage nach einem Toten. Ich war eben noch nicht klar.
    Die Gestalt knipste die Stehlampe an, die neben dem Sessel stand.
    »Es gibt Tote, die leben weiter.«
    Vor mir saß ein abenteuerlicher Mensch. Ein junger Mann mit langen, blonden Haaren. Wirr ineinander verknotet in vielen Zöpfen und Strähnen. In sie hineingeflochten Perlenketten und Bänder. Silberreifen um den Hals. Der Körper steckte in einer Art Burnus aus grobem Wollstoff, in den einfache geometrische Muster gewebt waren. Unter dem Burnus trug er Jeans. An den Füßen zertretene Turnschuhe. Um die Hüfte war mehrfach ein schmaler, dunkelbrauner, geflochtener Lederriemen geschlungen. An dem Lederriemen hingen Stoffbeutelchen. Neben dem Sessel stand ein Rucksack. Seine Hände waren schmutzig. Er sah wie nicht von dieser Welt aus. Ein jugendlicher Waldschratt, der sich aus dem Unterholz hierher verirrt hatte.
    »Ich wollte ihn sehen.«
    Ich hatte mich mittlerweile vervollständigt. Hemd, Strümpfe und Schuhe angezogen.
    »Es war interessant, dir zuzugucken.«
    Ich hätte ihn fragen können, was wollen Sie eigentlich hier? Ich fragte nicht, sondern setzte mich auf das Bett. Ich betrachtete ihn. Grundlos war er nicht hier. Ich schätzte ihn nicht älter als 20. Eher jünger. Er hatte noch ein ganz weiches Gesicht und einen vollen Mund, um den erste Barthaare sprießten. Ich wartete.
    »Ich vermisse Nemec, verstehst du?«
    Ich verstand gar nichts. Sagte aber immer noch nichts. Ich wusste auch nicht, was ich angesichts dieses Menschen hätte sagen können. Es fiel mir nichts ein zu ihm.
    »Ich war öfter hier. Nemec war mein Freund.«
    Sein Blick schweifte durch den Raum. Er sprach ganz leise.
    »Es macht mich traurig, dass er weg ist. Verstehst du?«
    Er nickte bedächtig mit dem Kopf, als müsste er seine Trauer nachträglich bestätigen. Er hatte große, tief liegende Augen unter dicken Brauen. Er sah mich nicht an. Beim Sprechen dirigierte er seine Worte mit der rechten Hand. Am Handgelenk trug er einen schmalen Reifen.
    »Sie haben ihn umgebracht. Ich weiß es. Ich sehe es ganz deutlich auf den Laufbändern.«
    Er presste die Lippen zusammen. Das kräftige Kinn schob sich vor.
    »Ich stelle Laufbänder her. Nemec konnte sie sehen. Er war der Einzige, der sie sehen konnte. Jetzt laufen sie, und niemand sieht sie. Siehst du was?«
    Er sah mich erwartungsvoll an. Seine Augen waren von einem dunklen Braun. Ungewöhnlich für seine helle Haarfarbe. Er meinte, was er sagte. Er wollte wissen, ob ich, wie Nemec, seine Laufbänder sah, die gerade liefen. Offenbar hatte er das Bedürfnis, dass jemand diese Laufbänder sah. Sonst wäre er nicht hierher gekommen. Aber was meinte er mit den Laufbändern, die er herstellte und die sich Nemec angeschaut hatte? Und was sah man auf ihnen? Sein Gesichtsausdruck war jetzt schmerzlich. Er ächzte.
    »Auwauau.«
    Er schlug sich mit beiden Händen fest auf die Knie.
    »Es läuft gerade was an der Tankstelle. Man muss immer was am Laufen haben, oder?«, lachte er plötzlich lauthals. Mir dämmerte, wer da vor mir saß.
    »Thomas Bobic?«
    »Wer denn sonst?« Er zog eine Schnute. »Hat aber lang gedauert. Lange Leitung?« Er grinste. »Nemec war schneller. Aber viel zu spät.«
    Er machte Anstalten, sich aus dem Sessel zu hieven. Ich wollte auf gar keinen Fall, dass er schon ging. Ich wollte wissen, was ihn mit Nemec verband. Und was er überhaupt wusste. Was mit dem Tankstellenüberfall war. Und warum ich ihn entführen sollte. Warum sollte ich diesen offenbar traurigen jungen Menschen entführen? Der Laufbänder produzierte, die außer Nemec niemand sehen konnte? Ich dachte an meine Videos.
    Er war wie ein Riss in meiner Brust. Ich wusste nicht, was mich zu ihm hinzog. Aber ich sprang von meinem Bett auf, ging zu ihm und drückte ihn sanft in den Sessel zurück.
    »Ich mache uns erst mal ein Frühstück.«
    »Das ist eine gute Idee.«
    Ich ging in die Küche. Er folgte mir, als folgte ich mir selbst. Er kannte sich aus. Er holte Teller, Tassen und Untertassen aus dem Küchenschrank und schaute in den Kühlschrank.
    »Eier?«
    »Eier.«
    »Rühreier.« Er

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