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Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser

Titel: Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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keinen Sinn. Der ganze Käfig ergab keinen Sinn. Eine Mutter mit einem Säugling wartete an einer der Barrieren. Sie hatte sich ganz, ganz weit hinter jeden Gesichtsausdruck zurückgezogen. Ihr grellbuntes Kleid schrie gegen die hellgrüne Tünche des Raumes und die Neonröhren an. Die Gitter des Laufsteges warfen Schatten auf ihr Gesicht und das Kind. Drei Männer warteten. Sie nahmen von nichts Notiz. Sie warteten. Sie wurden einzeln herbeigewunken. Sie durften passieren. Alles war sehr müde. Sehr schleppend. Sehr sinnlos. Ausgelaugte Menschen in einem Raubtierkäfig bei der Fütterung. An den Wänden hingen Listen, welche Menschen aus welchen Kulturkreisen welche Essensrationen wöchentlich bekamen. Jede Woche das Gleiche. Minderwertige Ware, die sie gegen Essensmarken bekamen. Hühnerschenkel für Muslime, Schweinefleisch für Nichtmuslime. Das Schweinefleisch war Bauchspeck. Viel Weißbrot, das nach wenigen Tagen ungenießbar war. Kaum Gemüse. Kartoffeln. Eine Flasche Limonade pro Kopf pro Woche. Zehn Teebeutel. Billigen Pulverkaffee. Es war erbärmlich.
    »Man kann aus der Milch keinen Joghurt machen. Wie es bei Türken oder Afghanen oder Irakern üblich ist. Die Milchtüten stapeln sich tonnenweise.«
    Frau Quack zeigte uns zwei Zimmer. Winzige Zellen mit Billigsteinrichtung. Es gab sechs Quadratmeter Wohnraum für jeden Erwachsenen. Pro Familie zwei Zimmer. In manchen Zimmern standen sechs Betten und Spinde fast aneinander. Ein drittes Zimmer durfte nicht belegt werden, auch wenn es frei war. Das widersprach der Vorschrift. In einzelnen Zimmern mussten die Bewohner über die Betten steigen, um zur Türe zu gelangen.
    Frau Quack wollte uns die Büros der Ausländerbehörde zeigen. Mlasec erschien. Er kam die Treppe der Behörde herunter, die auch in einem Schlichtbau untergebracht war, von dem aber immerhin kein Putz bröckelte. Es gab sogar Oleander in Betonbottichen.
    Er steuerte direkt auf Frau Quack zu.
    »Sie sind hier unerwünscht. Verschwinden Sie.«
    Er sah gemein aus. Ein Stiernacken, der jedem Klischee vom bösen Kerl entsprach. Er hatte kleine, böse Augen unter buschigen Augenbrauen in einem pockennarbigen Gesicht. Zwei seiner Schneidezähne blitzten golden. In einem Ohrläppchen trug er einen großen Goldring. Um den mächtigen Hals hatte er mehrere schwere Goldketten gewunden.
    »Das ist hier ein ganz normaler Stadtteil von Schlabbach«, wehrte sich Frau Quack.
    Einige Gestalten näherten sich. Die Situation wurde brenzlig.
    Ich konnte mir trotzdem eine Bemerkung nicht verkneifen.
    »Sie sind doch der Mörder von Nemec?«
    Zur Not hatte ich die Pistole von Marc Poulet in der Tasche. Ich wusste nicht, wie man damit umging. Mlasecs Gesicht verfinsterte sich. Auf seiner Stirn entstanden dicke Wülste.
    Er winkte die Gestalten herbei. Ein Rückzug war angesagt. Die Rückfahrt war mir recht. Ich wollte meine Schützlinge im Lieferwagen nicht länger alleine lassen.
    Auf der Rückfahrt beschlossen die Frauen, in die Klinik des Schönheitsoperateurs Hippchen zu fahren. Sie wollten erkunden, ob der frisch vermählten Braut aus dem Bunker, deretwegen Lea Bosic so verzweifelt war, tatsächlich eine Niere entnommen wurde. Wie wollten sie das herausfinden?
    »Da mach dir mal keine Sorgen.«
    Ich wünschte ihnen viel Glück und bat sie, mich in Schlabbach abzusetzen.
    Dort ging ich als Erstes auf die Wache und erkundigte mich nach Martin Degrange. Er war immer noch nicht da. Zu Hause war er auch nicht. Das war ungewöhnlich. Außerdem brauchte ich eine Gasmaske. Im Haus von Corinne fand ich eine und einen Gartenschlauch dazu. Ich dachte nicht lange darüber nach, wozu die Ärztin eine Gasmaske brauchte. Ich lief zum Lieferwagen. Ich stieg ein und startete. Ich fuhr aus Schlabbach hinaus und bog nach ein paar Kilometern in einen Waldweg ein.
    Mein seismografisches Innenleben lief auf Hochtouren. Ich wusste seit Berlin, dass wir auf eine Wand zurasten und zerschellen würden. Meine Alarmglocken schrillten. Ich hatte ein gigantisches Freezinggefühl. In wenigen Augenblicken, Stunden war es soweit! Es sollte das letzte Freezing meines Lebens werden. Ein Superfreezing. Nur noch dieses eine Mal! Die Superwelle, von der jeder Surfer träumte. Durch die Wand knallen, in alle Richtungen explodieren. Frei sein. Über allen Wolken schweben.
    Marc Poulet und seine Gehilfin Betty sollten mir dabei behilflich sein. Ich holte mir eine Rolle silbernes Klebeband und den Gartenschlauch. Ich stieg aus und steckte den Schlauch

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