Fröhliche Wiederkehr
Sie griffen auch zu, obwohl sie sicherlich schon ein reichhaltiges Hotel-Frühstück hinter sich hatten. Vater hielt sich ans Schwarzbrot und half ihnen tüchtig, und seine Laune besserte sich zusehends. Währenddessen schleppte Herr Janson mit Annas Unterstützung die Päckchen und Pakete ins Haus, deren Inhalt Onkel Walter zumeist schon aus Afrika mitgebracht hatte. Es war wie Weihnachten, ach was, viel üppiger als Weihnachten, denn Vater war ja leider alles andere als ein Millionär. Mutter bekam eine weiße Federboa, eine in Gold gefaßte und mit kleinen Brillanten und Rubinen besetzte Löwenkralle, dazu einen Karton, in dem sich zwei Dutzend Prachtexemplare von weißen und schwarzen Straußenfedern befanden. Ihre Hüte konnten in den nächsten Jahren mit jenen der Kaiserin Auguste Victoria konkurrieren. Für Vater hatte Onkel Walter einen schweren Elefanten aus Ebenholz mit mächtigen Stoßzähnen aus Elfenbein mitgebracht, dazu einen Satz kostbarer Zigarrenspitzen aus Meerschaum mit Mundstücken aus Elfenbein und Bernstein. Für Lotte und Else hatte Tante Miekchen bei Wertheim in Berlin Kleider- und Kostümstoffe ausgesucht, die ihnen helle Schreie des Entzückens entlockten. Meinem Bruder überreichte Onkel Walter nichts als einen Briefumschlag, aber Ernst preßte ihn, nachdem er einen Blick hineingeworfen hatte, an die Brust, als enthielte er Aladins Wunderlampe. Mir hatte Onkel Walter einen Haufen Bücher mitgebracht, wohl in der Meinung, daß ich in der Schule schon weiter sei, die Schatzinsel, den Lederstrumpf, den Till Eulenspiegel und zwei Bücher mit den unaussprechbaren Namen Huckleberry Finn und Tom Sawyer. Ich hatte mir etwas anderes erwartet, einen Indianerkopfschmuck aus Adlerfedern oder einen Indianerbogen mit einem Köcher voller vergifteter Pfeile. Er muß mir meine herbe Enttäuschung angesehen haben, denn er griff in die Westentasche und drückte mir als Zugabe ein goldenes Zwanzigmarkstück in die Hand. Vater wollte es sofort beschlagnahmen, aber Onkel Walter sagte, das Goldstück gehöre mir und ich dürfe mir dafür kaufen, wozu ich Lust hätte.
Sie blieben nur drei Tage bei uns, denn sie hatten sich für die Mitte der Woche bei den Großeltern angemeldet, und von Lyck aus wollte Onkel Walter einen Abstecher nach Kallinowen machen, um seine Zwillingsschwester Elma und den Aurelius Piepus zu besuchen. Aber in den drei Tagen des Besuchs delektierte Onkel Walter sich an Mutters Küche, Königsberger Klopsen, Aal grün und Kasseler Rippspeer mit Sauerkohl, und er lobte Mutters Kochkünste so überschwenglich, daß Tante Miekchen ganz nervös wurde und spitz bemerkte, sie sei nun einmal als Bremerin mit der Bremer Küche aufgewachsen, und wenn es ihm hier besser schmecke, dann solle er sich doch aus Deutschland einen Koch mitnehmen — oder besser noch eine Köchin! Nein, so gut wie Mutter konnte sie nicht kochen, dafür besaß sie eine schöne Altstimme und begleitete sich bei Balladen von Loewe höchst effektvoll am Klavier. Nie habe ich die Glöckchen bei >Tom der Reimer< zarter und lieblicher klingen hören. Und wenn sie ihr Lieblingslied vortrug — Hier hab ich so manches liebe Mal mit meiner Laute gesessen — dann lauschte ihr sogar Vater in sichtlicher Ergriffenheit.
Auch Herrn Janson schien es bei uns bestens zu schmecken. Vielleicht hatte es ihm auch Anna mit ihrer strammen Figur und mit ihrem vollen braunen Haar angetan, aber er hatte bei ihr keine Chancen, denn sie ging zur Zeit mit einem Unteroffizier vom Grenadierregiment Nr. 1, der mit mir immer merkwürdige Wetten abschloß, bei denen ich jedesmal gewann. So stülpte er mir zum Beispiel seine Grenadiermütze über den Kopf, legte ein Zweipfennigstück auf den Küchentisch und behauptete, ich könnte es keine fünf Minuten unter der Mütze aushalten. Und ob ich konnte! Mehr als zehn Minuten hielt ich oft durch, blind und auch stark gehörbehindert, und wenn ich die Mütze dann abnehmen durfte, saßen die beiden friedlich am Tisch, nur Anna sah ein bißchen erhitzt aus.
Natürlich hatte Mutter Herrn Janson, der in ihren Augen im Rang doch so etwas wie einen Lokomotivführer darstellte, angeboten, mit uns am Tisch zu speisen, aber Herr Janson zog es vor, bei Anna in der Küche zu essen, und dagegen hatte Mutter auch nichts einzuwenden. Es traf sich ungeschickt, daß Mutter für den Dienstag die Waschfrau bestellt hatte, und der Termin ließ sich nicht verlegen, weil Frau Borowski nach einem streng eingeteilten
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