Fröhliche Wiederkehr
oder Zahnarzt, wenn nicht gar wie der noch weit schwerere Beruf eines Bäckers, der nicht nur Tages- sondern auch schwere Nachtarbeit erforderte.
»So so, Cimber«, sagte Herr Hoffmann, »das sind doch die mit den olivgrünen Mützen, nicht wahr?« Und dann fügte er noch hinzu, ich möge meinem Bruder einen schönen Gruß bestellen und ihm sagen, daß es ihm leid täte, daß er aber vielleicht gut daran täte, etwas Passendes für die Schwester Else unter seinen Bundesbrüdern zu suchen. — Prophetische Worte, denn einige Jahre später fiel Elses Wahl — wenn auch ohne Nachhilfe von Ernst — auf einen Herrn aus seiner Corporation.
In diesen Tagen versetzte uns ein Telegramm in Aufregung, das in Bremen aufgegeben, den Besuch von Onkel Walter und Tante Miekchen ankündigte. Onkel Walter war ein jüngerer Bruder meiner Mutter und ein Zwillingsbruder von Tante Elma. Er hatte den Eisenhandel von der Pike auf erlernt, später eine Handelsschule besucht und als junger Mann eine Erfindung gemacht, die ihm ein kleines Vermögen einbrachte. Vor seiner Erfindung war es üblich, daß sich die Herren in Vergnügungsetablissements zur Entlohnung der Kapelle ein Tanzabzeichen einlösten, das je nach Qualität des Lokals und der Damen einen oder mehrere Groschen kostete. Solange man sich dabei mit Anstecknadeln begnügte, hatten es die Tänzer leicht, den Obulus nur einmal zu entrichten und sich Tänze zu erschmuggeln, indem sie sich das Abzeichen von einem Freund ausliehen. Onkel Walter erfand ein Abzeichen, das jeden Schwindel unmöglich machte; er konstruierte einen Papierstreifen, der durch ein Knopfloch der Jacke oder des Revers gefädelt und durch einen Druckknopf fest und unlösbar zusammengeschlossen wurde. Bald nach dieser Erfindung heiratete er die einzige Tochter eines gut betuchten Bremer Importeurs, der vor allem englische Fahrräder auf den deutschen Markt warf. Mit dem kleineren Eigenkapital und der beachtlichen Mitgift seiner Frau ging Onkel Walter Ende der neunziger Jahre nach Deutsch-Ostafrika und übernahm in Daressalam ein Geschäft für Schiffsausrüstungen, dessen Besitzer den Biß einer schwarzen Mamba nicht überlebt hatte. Onkel Walter brachte das billig erworbene und unter seinem Vorgänger nicht gerade florierende Geschäft bald in Schwung, beteiligte sich außerdem an einigen Sisalplantagen und erwarb durch seine Tüchtigkeit im Verlaufe weniger Jahre ein Millionenvermögen. Er war und blieb der einzige Millionär in unserer Familie — wenn man davon absieht, daß wir in Großmutters Nachlaß eine Schublade voll Milliarden- und Billionenscheinen fanden.
Onkel Walter machte in einem Turnus von zwei Jahren Europa-Urlaub, zumeist im Winter, denn er liebte Schlittenfahrten durch verschneite Wälder, die es in Ostafrika nicht einmal für einen Millionär gab. Er ähnelte Großvater, als sei er ihm aus Gesicht und Figur geschnitten, nur daß das, was sich bei Großvater im Laufe der Jahre in Speck verwandelt hatte, bei ihm noch aus strotzender Muskelsubstanz bestand. Das Kunststück Augusts des Starken, Hufeisen zu verbiegen, brachte er spielend fertig, und als sich Tante Miekchen einige Jahre später von ihm scheiden ließ, erfuhr man, daß er August dem Starken auch in anderer Beziehung nachgeeifert hatte.
Dieses Mal kam er nicht im Winter, sondern im Herbst, am sehnsüchtigsten von Ernst erwartet, dem die Schulden wie so oft bis zum Halse standen. Er hatte das von seiner Mutter ererbte Vermögen längst verbraucht und war gänzlich auf Vaters Zuwendungen angewiesen — und Vater war in puncto des Nervus rerum sehr zugeknöpft. Onkel Walter war es, der Ernst schon einige Male aus peinlichen Verlegenheiten herausgeholfen hatte. Dafür und für die Spende von manchem Fäßchen Bier war Onkel Walter ein gern gesehener Ehrengast auf der Cimbernkneipe. — Mutter brauchte sich wegen des angekündigten Besuchs weder Umstände noch Sorgen zu machen, wie stets hatte sich Onkel Walter auch dieses Mal zwei Zimmer mit Bad im Hotel >Deutsches Haus< reservieren lassen, wobei mir das Bad in der Pracht der weißen Fliesen und blitzenden Armaturen am meisten imponierte, denn ein Badezimmer hatte es bisher noch in keiner unserer Wohnungen gegeben. Zur Säuberung des Gesichtes und der Hände genügte die Waschkommode im Schlafzimmer, und wer seine Intimitäten zu reinigen wünschte, konnte das im großen Holzzuber der Waschküche besorgen.
Wer sich von unserer Aufregung überhaupt nicht anstecken ließ, war Vater.
Weitere Kostenlose Bücher