Fröhliche Wiederkehr
Drei-Wochen-Turnus zum Waschen zu uns kam. Ihre Mann arbeitete in der Brauerei Ponarth, und das Bierdeputat schien ihn nicht müde, sondern sehr munter zu machen, denn sie hatte einen Haufen Kinder, und eins war immer unterwegs. Einmal erschien sie schlanker als sonst zum Waschtag.
»Nun, Frau Borowski«, fragte Mutter und überlegte dabei, was sie ihr an alten Bettüchern für Windeln mitgeben könnte, »ist es ein Junge oder ein Mädchen? Und wann haben Sie es zur Welt gebracht?«
»Es is man bloß ein Mädchen, gnä’ Frau«, antwortete Frau Borowski und stemmte den schweren Waschzuber hoch, um das Spülwasser ins Gully laufen zu lassen, »und gekommen is es jestern abend jejen elf Uhr.«
Mutter wurde blaß und wollte sie auf der Stelle nach Hause schicken, aber Frau Borowski erwiderte resolut, Mutter solle bloß nicht solch ein Getue machen, und überhaupt wären bei ihr alle Kinder bis aufs erste nur so herausgefallen und sie hätte nicht mal eine Hebamme gebraucht. Ihre kleineren Kinder wurden daheim von der Großmutter versorgt, nur das älteste von den noch nicht schulpflichtigen Kindern, den Arthur, ein Jahr jünger als ich, brachte sie gewöhnlich mit. Mutter überließ ihm einige von meinen Spielsachen, und der Junge gab damit den ganzen Tag Ruhe. Natürlich bekam Arthur bei uns auch zu essen, reichlich zu essen, aber das schien ihm nicht zu genügen, denn sozusagen zum zweiten Frühstück und zu einer Zwischenmahlzeit am Nachmittag lief er in die Waschküche hinunter und sagte zu seiner Mutter fünf kurze Worte: »Mudder, jew mi de Titt!« Darauf ließ Frau Borowski sich auf einem Schemel nieder, knöpfte die Bluse auf und ließ ihren Sohn, der dabei still und aufrecht zwischen ihren Beinen stand, nach Herzenslust trinken. Herr Janson, der sich Anna nützlich machte und ihr die Körbe mit der nassen Wäsche zum Aufhängen aus der Waschküche in den Hof herauftrug, muß der Anblick der gewaltigen Apparate, die aus Frau Borowskis Bluse quollen, genauso Atem und Sprache verschlagen haben wie der Anblick des eifrig zutzelnden Knaben Arthur. Dieses Ostpreußen — Wölfe und Bären liefen zwar nicht frei herum, aber sonst! Seine weiß herausquellenden Augäpfel wiederum schienen Frau Borowskis Mißfallen erregt zu haben oder von ihr falsch gedeutet worden zu sein. Während ihr Arthur an der linken Milchquelle weiter trank, packte sie die rechte Brust mit beiden Händen und spritzte Herrn Janson auf eine Entfernung von zwei Metern mit einer melkenden Bewegung einen Milchstrahl entgegen, der ihn mitten ins Gesicht traf und auch seine Weste bekleckerte. Dabei funkelte sie ihn an und zischte aus verächtlich herabgezogenen Mundwinkeln: »Jetz aber raus mit dir, du Hamburger Schweiiniijel!«
Mutter ließ sich von Onkel Walter und Tante Miekchen überreden, Vaters wegen zwar äußerlich widerstrebend und zögernd, innerlich aber Feuer und Flamme, die Autoreise zu den Großeltern mitzumachen. Sie versprach Vater, falls Onkel Walter sich länger in Lyck aufhalten sollte, spätestens nach drei Tagen mit der Bahn zurückzukommen. Wir beneideten sie um diese Fahrt im offenen Phaeton glühend, aber wir mußten leider in die Schule. Das schöne warme Herbstwetter hielt an, und im Notfall konnte der Wagen durch eine wasserdichte Verdeckplane wetterfest gemacht werden. Am. Mittwochmorgen kletterte Mutter ins Auto und zwängte sich auf den Vordersitz neben Herrn Janson, nicht allzu bequem, denn Vater hatte darauf bestanden, daß sie sich in seinen schweren Pelz hüllte, den er im Winter bei Schlittenfahrten zu Lokalterminen trug. Es war ein Wolfspelz von ungeheurem Gewicht, der sogar Vater Schulterschmerzen verursachte, wenn er ihn länger als eine Stunde trug. Er winkte Mutter nach und machte sich auf drei lange Tage des Strohwitwertums bei Annas Küche gefaßt.
Aber das Unerwartete geschah. Mutter kam schon am nächsten Tage zurück, gebrochen an Leib und Seele und mit dem Schwur auf den Lippen, daß keine zehn Pferde sie je wieder im Leben in solch eine mörderische Benzinkutsche bringen würden. Sie war so durchgerüttelt worden, daß ihr jeder Knochen weh tat. Aber das war nicht das Schlimmste. Das Schlimmste war auch nicht, daß zwischen Lötzen und Widminnen eine Kuh den Wagen auf die Hörner zu nehmen versucht hatte. Das hatte nur einigen Blechschaden verursacht. Aber bei dem Zusammenstoß hatte der außen angebrachte Getriebe-Schalthebel Schaden genommen, war Herrn Janson in der Hand abgebrochen und dann, als
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