Fröhliche Wiederkehr
Feindes aufzuhalten. Durch die Straßen rumpelten Gespanne, bis zum Zusammenbrechen aufgepackt, und eins von den Fuhrwerken, das von vier Pferden gezogen wurde, gehörte Leitners aus Kallinowen. Aber als Großvater Herrn Leitner fast flehentlich bat, mich mitzunehmen, da sagte Herr Leitner, er habe mit seinen vier Bälgern genug zu tun und er könne die Verantwortung für mich nicht auch noch übernehmen. Er schien es so eilig zu haben, als wären die Kosaken schon dicht hinter ihm her. Die Flüchtlinge, die aus den grenznahen Dörfern kamen, erzählten, drüben wimmle es von Soldaten, und russische Patrouillen wären in Prostken eingedrungen und hätten einen Zollbeamten erschossen, der sich ihnen entgegenstellte.
Als ich am Nachmittag zu Grigats lief, um zu erfahren, was Hannchen und Fritz an Neuigkeiten zu melden hatten, da war die Wohnung leer. Grigats hatten die Stadt mit dem letzten Zug, der in der Nacht abgegangen war, verlassen. Überall standen die Wohnungstüren offen, kein Mensch war im Hause, nur unten in seiner Kneipe hielt der alte Bouvain die Stellung. Er war so betrunken, daß er mich nicht erkannte, er fuchtelte mit einem langen Schlachtermesser herum und schwor, jetzt würde er dem Schweinehund, der ihm die Nase abgehackt hatte, die Nase und noch einiges dazu abschneiden. Das Messer und die wild rollenden Augen in dem schrecklichen Gesicht jagten mir solche Furcht ein, daß ich mich schleunigst auf die Straße rettete. Als ich heimkam, waren Großvaters Nerven so strapaziert, daß er sie mit einem Grog besänftigen mußte, und auch Großmutter hatten sich die Aufregungen auf den Magen geschlagen, so daß sie eine kleine Stärkung brauchte. Wir gingen zum Cabalzar und setzten uns in den kleinen Vorgarten, den eine Reihe von Blumenkästen, aus denen Kletterpflanzen sich an Spalieren hochrankten, gegen die Straße abschirmten. Großvater rührte seinen Grog noch um und Großmutter nippte gerade an ihrem Pfefferminzlikör, als sich irgendwo in der Bahnhofstraße ein lautes Geschrei erhob und Menschen in wilder Flucht an dem Rankenspalier vorbeistoben. Und aus der Ferne hörte man Warnrufe: »Rettet euch! Von der Straße weg! Menschen, rettet euch!«
Großmutter wurde totenblaß und stammelte: »Jetzt sind sie da, die Russen!« An allen Tischen sprangen die Leute empor und drängten sich in das Lokal hinein, nur Großvater nicht, er blieb wie gelähmt sitzen und klammerte sich an sein Grogglas. Ich schlüpfte aus dem Vorgärtchen hinaus und spähte um die Ecke. Die Straße war wie leergefegt, rechts und links drückten sich die Menschen in die Portale und Toreinfahrten hinein. Und jetzt hörte ich es ganz deutlich und nah: »Menschen rettet euch, der Bull’ ist los! Von der Straße weg! Der Bull’ ist los! Rettet euch!« — Und was für ein Bulle das war! Mitten auf der Straße stürmte er mit gesenkten Hörnern mächtig wie eine Lokomotive heran. Fünfzehn Zentner geballte Kraft und Wut. Hinter ihm drein galoppierte ein Reiter, und hinter dem Reiter, weit hinter ihm, schrien sich ein Dutzend Männer die Kehlen heiser, denen der Bulle — ein prämiierter Zuchtstier, den man den Russen keinesfalls in die Hände fallen lassen wollte — beim Verladen ausgebrochen war. Seinen Wärter, der ihn am Nasenring in den Transportwagen zerren wollte, hatte er gegen die Wand gedrückt und ihm dabei einige Rippen gebrochen, und einen anderen Mann, der sich ihm entgegenstellte, auf die Hörner genommen und durch die Luft geschleudert. Selbstverständlich schloß ich mich, als Stier und Reiter an der Cabalzarschen Konditorei vorbeigedonnert waren, der wilden Jagd an. Sie dauerte nicht lange, denn in den Anlagen raste der Bulle gegen einen
Baum und entwurzelte ihn halb, aber der Anprall war selbst für einen Stierschädel so stark, daß der Bulle halbbetäubt in die Knie ging und gefesselt werden konnte. Inzwischen aber hatte sich das Gerücht verbreitet, er habe einen Jungen aufgespießt, und die Großeltern standen, fest davon überzeugt, daß dieser aufgespießte Junge niemand anders als ich sein könne, Höllenängste aus. Und anstatt sich zu freuen, daß ich heil und gesund zu ihnen zurückkehrte, haute mir Großvater rechts und links zwei gewaltige Ohrfeigen herunter, und Großmutter sah genauso aus, als ob sie die größte Lust hätte, mir auch noch zwei von der gleichen Sorte zu verpassen. Aber sie beherrschte sich und sagte mit zitternder Stimme nur, daß sie mit mir dieses Mal nichts als Ängste
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