Fröhliche Zeiten
mußte ihn nicht vor jeder Einstellung nachschlagen. Nie hätte sie sich in einen Sessel gesetzt, der zur Dekoration gehörte — dort räkelten sich unausgeschlafene Starlets. Fehlte der Klappstuhl mit ihrem Namen, blieb sie stehen, als sei das selbstverständlich. Ihrer Garderobiere gelang es nicht, Kaffee für sie zu holen.
»Das ist nicht deine Aufgabe«, sagte Ingrid Bergman und holte ihn selber. Ihre Herzlichkeit begeisterte alle. Sie gehörte sozusagen zum Stab.
»Da siehste den Unterschied«, berlinerte man hinter der Kamera, »det is eben ‘n Weltstar .«
Ihr Name — zusammen mit dem des Maestro — lockte 2,6 Millionen Besucher in die Kinos und das, obwohl es sich um einen sogenannten anspruchsvollen Film handelte. Zum Vergleich: Seichte Renner brachten es seinerzeit auf acht Millionen Zuschauer und mehr. Bei entsprechend größerem Aufwand. Die Produktionskosten hatten sich auf DM 700 000,- belaufen. Geschäftlich konnte der Produzent zufrieden sein, ebenso künstlerisch. Jean-Marie Straub, ein damals schon renommierter Cineast, hielt Angst für den besten deutschen Film nach dem Krieg.
Aus pekuniärer Sicht betrachtet muten die Fünfzigerjahre heute nachgerade exotisch an. In dem Schlagerfilm Die süssesten Früchte fressen nur die grossen Tiere stand ein gewisser Peter Alexander mit dem Titelsong zum ersten Mal vor der Filmkamera, zwei Drehtage lang, den Tag zu einer Gage von DM 150,-.
Wesentlich besser gepolstert, finanziell wie figürlich, wirkten im gleichen Film drei der unerläßlichen Augenweiden mit, ausgesucht hübsche Mädchen, eine von ihnen gar in einer tragenden Rolle.
Für die Anreise zum Drehort in Süditalien hatte die Produktion den Mitwirkenden und dem Stab einen Schlafwagen gemietet. Zur Verabschiedung erschien auch Produzent Franz Seitz am Bahnhof. Seine Geste sollte in einem für ihn typischen Privatspaß gipfeln. Nicht daß der geplant gewesen wäre; die Idee reifte erst bei einem Rundblick.
Außer Freund Buba hatten sich nämlich drei weitere Herren eingefunden, betucht und schon länger in den allerbesten Jahren, Herren, deren Tätigkeit in Filmkreisen häufig, für das Endprodukt gleichwohl vollkommen unwichtig war: die ständigen Begleiter der Augenweiden.
Übernächtigte Dackelblicke meldeten den Trennungsschmerz, kraftvolle Drücke bestätigten das Gefühlspotential, innige Küsse gelobten Treue. Die letzten Worte glichen einander wie auf allen Bahnhöfen.
Mach’s gut! — Ruf mich gleich an! — Paß auf dich auf! Winkend zwischen grinsenden Kollegen und den Führungskräften des Stabes, unter ihnen Franz Antel, der Regisseur, rollten die Augenweiden außer Sichtweite, hinaus in die Nacht, in viele Nächte.
Buba beobachtete die verlassenen Kavaliere und tat, was er nur zu wichtigen Verlautbarungen tut — er nahm die Pfeife aus dem Mund.
»Meine Herren«, sagte er, »ich möchte sie jetzt ins Jagdmuseum einladen. Zur Entgegennahme der Geweihe.« Da röhrten sie potent, die Ständigen, wie über einen unanständigen Witz. Franz Seitz behielt recht. Nicht eine der drei kehrte zu ihrem Unwiderstehlichen zurück.
Deutsche filmten im Ausland, Ausländer drehten in Deutschland. Der internationale Betrieb machte selbst vor mir nicht halt. Meine kabarettistischen Fertigkeiten konnten den Ausschlag nicht gegeben haben, denn der amerikanische Schauspieler und Produzent Douglas Fairbanks — lebenslänglicher Junior des legendären Hollywood-Altstars gleichen Namens — sprach kein Wort deutsch und hat unser Kabarett nie betreten.
Im Hotel Vier Jahreszeiten lernte ich ihn kennen und bekam meine erste Hauptrolle. In englischer Sprache. Silent Night hieß der Film. Er verklärte die Entstehung des Weihnachtsliedes Stille Nacht aus amerikanischer Sicht bis zum Segen des Salzburger Bischofs für den Komponisten. Und der war ich, Lehrer Gruber aus Oberndorf an der Salzach im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet.
Auf der Kinoleinwand sah das Voralpenland dann mehr nach Disneyland aus, ein Ballungsraum von Folklore und Gemütlichkeit, mit U nicht mit Ü. Mittendrin Lehrer Gruber, vor sich auf dem Tisch die Zither und den Bierkrug. Nach einem letzten Schluck küßte ihn die Muse. Gewiß, es war kein Rheingold-Bier gewesen, dem die Welt das berühmte Lied verdankte; man begnügte sich raffiniert mit der Assoziation. Rheingold-Beer, ein amerikanisches Brauereiprodukt jenseits des alpenländischen Reinheitsgebots, hatte den Film finanziert.
Mit dem Hollywood-Attribut des
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